Bildungsminister Heinz Faßmann kündigte heute an, dass es in zwei Wochen dazu kommen könnte, dass alle Schulen geschlossen werden müssen – man sei darauf vorbereitet. Experten hingegen sprechen sich seit Monaten dagegen aus, im Zuge der Pandemie-Maßnahmen die Schulen zu schließen: zu gering sei die Rolle, die Schulen und Kinder für das Infektionsgeschehen spielen, zu groß die Kollateralschäden, die durch die soziale Isolation und den Bildungsentgang entstehen.

Noch in der Vorwoche sagt der Infektionsexperte Hans-Peter Hutter (Med Uni Wien): „Wir brauchen keinen kompletten Lockdown, sondern ein differenziertes Vorgehen: Kinderbetreuung und Schulen sollen jedenfalls geöffnet bleiben, ebenso wie Spielplätze für Kinder.“ Auch der Epidemiologe Gerald Gartlehner (Donau-Uni Krems) unterstrich: „Schulen dürfen wir keinesfalls schließen.“ Hat sich an der wissenschaftlichen Datenlage etwas geändert, die den neuen Kurs des Bildungsministeriums begründen könnte?

Kinder sind keine "Superspreader"

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„Nein, an der Datenlage hat sich nichts verändert: Es gibt sehr viele Studien, die zeigen, dass Kinder sich nicht so leicht mit dem Coronavirus anstecken und daher für das Infektionsgeschehen keine große Rolle spielen“, sagt Volker Strenger, Kinderfacharzt an der MedUni Graz und Infektionsexperte der Gesellschaft für Kinder- und Jugendheilkunde. Kinder sind keine „Superspreader“ und Schulen keine Hotspots – so die einhellige Meinung der meisten Experten.

„Doch natürlich hängt es auch von der Gesamtsituation ab“, sagt Strenger – ist das Infektionsgeschehen insgesamt gering, machen Schulen keine Probleme. Doch bei rasant steigenden Infektionszahlen, wie wir sie nun beobachten können, wird das Virus auch in Schulen eingeschleppt. Und: „In Relation dazu, wie viele Menschen in Schulen zusammenkommen, passiert dort noch immer sehr wenig“, sagt Strenger.

Erwachsene bringen Virus in Schulen

Kommt es zu Clustern in Schulen „sind es meist die Erwachsenen, also Lehrer oder Betreuer, die am Beginn solcher Ausbrüche stehen“, sagt Strenger. Gingen Infektionsketten von Kindern aus, waren diese meist über 14 Jahre alt – das würden die Clusteranalysen der Ages zeigen.

Hier müsse man differenzieren, sagt Strenger: „Je kleiner Kinder sind, desto seltener stecken sie sich an. Ab dem Alter von 14 Jahren aber haben Jugendliche ein ähnliches Ansteckungs- und Übertragungsrisiko wie Erwachsene.

Für Strenger gilt weiterhin, dass Schulschließungen das letzte Mittel der Wahl sein müssen: „Wenn Jugendliche sich überall anders treffen können und nur Schulen geschlossen werden, ist das völlig sinnlos“, sagt Strenger. Auch sieht er in den Schulen noch Verbesserungsbedarf, bevor man das Mittel der Schließung wählt: „Die derzeitigen Quarantänebestimmungen machen den Schulbetrieb ja teilweise schon schwer möglich – hier müsste man überlegen: Müssen wirklich ganze Klassen in Quarantäne geschickt werden, weil ein Lehrer infiziert war?“ Und: Auch im Gesundheitsbereich können symptomlose Kontaktpersonen unter Einhaltung strenger Sicherheitsmaßnahmen und regelmäßiger Tests weiterarbeiten – das könnte auch für Lehrer überlegt werden.

Mehr Abstand zwischen Lehrern und Schülern könnte außerdem dazu beitragen, dass Ansteckungsrisiko zu senken. „Erst wenn all das ausgeschöpft ist und die Infektionslage weiterhin angespannt ist, sollte man an Schulschließungen denken“, sagt Strenger.

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