Der Muttertag dieses Jahres sorgte bei Peter Pessl für große Verwunderung: Wie kann es schon Mai sein? Es war doch gerade erst März. An dem Tag, an dem Kinder ihren Müttern in die Arme fielen, Gedichte vortrugen und selbst gepflückte Blumen überreichten, war der 63-Jährige gerade dabei nach einem sechswöchigen Tiefschlaf sukzessive wieder zu sich zu kommen. Der Grund dafür: eine Covid-19-Erkrankung mit schwerem Verlauf.

Mitten in der Nacht wurde Peter Pessl nach Wien geflogen.
Mitten in der Nacht wurde Peter Pessl nach Wien geflogen. © Bundesheer/ Luftunterstützung

Das, was normalerweise immer nur den anderen passiert, das, wovon man in der Zeitung liest, begann für Peter Pessl am 9. März. Er fühlte sich fiebrig und wählte die Nummer der Gesundheitshotline. „Die haben mich nicht als Verdachtsfall eingestuft und mich zum Hausarzt geschickt“, erzählt Pessl. Der Arzt schob seinen Zustand auf einen grippalen Infekt und schrieb ihn krank. Eine Woche später verschlechterte sich sein Zustand weiter und er wurde auf Covid-19 getestet. Das Ergebnis war positiv und Pessl wurde unter Heimquarantäne gestellt.
Der Zustand des Oststeirers, der in Vorarlberg lebt, wurde aber nicht besser. Und das trotz der Fitness des 63-Jährigen: „Als Risikogruppe würde ich mich selbst nicht bezeichnen. Eigentlich war ich sehr fit. Ich habe in meinen Mittagspausen zwei Stunden für Sport aufgewandt“, sagt Pessl. In Indien hat er auch Berge mit 5600 Höhenmetern bestiegen.

Am 25. März führte aber kein Weg mehr an einem stationären Aufenthalt im Krankenhaus vorbei. Pessl kam nach Bludenz ins Spital. „Ich kann mich nur noch an die erste Nacht dort erinnern. Ab diesem Zeitpunkt befand ich mich im Koma.“

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Die Angehörigen mussten zittern

Diese Hartnäckigkeit hatte letztlich Erfolg: Die Ärzte im AKH Wien beschlossen, Pessl nach Wien fliegen zu lassen und an einen ECMO-Apparat anzuschließen. Hubschrauber des Bundesheers, unter anderem ein Black Hawk, flogen Pessl mitten in der Nacht nach Wien. Selbstständig atmen konnte der 63-Jährige nicht mehr. „Das mussten ab diesem Zeitpunkt medizinische Geräte für mich übernehmen. Eine Lungentransplantation war angedacht“, sagt Pessl.

Lungentransplantation war eine Option

Als Peter Pessls Lunge zu versagen drohte, wurde er mit einem Militärhubschrauber ins AKH Wien gebracht.
Als Peter Pessls Lunge zu versagen drohte, wurde er mit einem Militärhubschrauber ins AKH Wien gebracht. © Bundesheer/ Luftunterstützung

Auch als er dann Ende April langsam aufzuwachen begann, war die Möglichkeit einer Transplantation noch nicht vom Tisch. Dass er heute mit der eigenen Lunge atmet, schreibt er auch der kompetenten medizinischen Betreuung zu: „Ich habe einfach gemerkt, wie froh wir sein können, in einem Land mit Krankenversicherung und so guten medizinischen Standards zu leben. Ich weiß nicht, wie es für mich in manch anderen Ländern ausgesehen hätte.“
Aber nicht nur seine Fachkompetenz rechnet Pessl dem medizinischen Personal des AKH Wien hoch an – er betont vor allem auch die große Menschlichkeit, die auf der Intensivstation herrschte: „Weil mich niemand besuchen konnte, telefonierten Ärzte und Pfleger mit meiner Familie und meinen Freunden. Danach kamen sie zu mir und richteten alle lieben Wünsche aus. Das gibt einem unheimlich viel Kraft.“

Eine weitere prägende Erinnerung: das erste Cola nach langer künstlicher Ernährung. „Eine Pflegerin hat es von ihrem Geld gekauft. Ich bin ja mit nichts nach Wien gekommen – ich hatte nicht einmal etwas anzuziehen.“

Muskelschwäche als neue Herausforderung

Auf Unterstützung musste sich Pessl auch bei seinen ersten Bewegungen nach dem Tiefschlaf verlassen: „Nach diesen Wochen hatten alle Muskeln abgebaut. Die Bettdecke war schwer wie ein Eisenteppich. Anfangs brauchte es drei Leute, um mich im Bett aufzusetzen. Auch sprechen konnte ich kaum.“ Bis heute ist seine Lungenfunktion eingeschränkt, auch die Muskelschwäche ist noch deutlich merkbar.
Seit seiner Reha in Tirol bessern sich all diese Dinge allmählich. Der 63-Jährige unternimmt mit seiner Frau wieder kleine Wanderungen und Radausflüge. Bis sich der Körper vollständig erholt hat, liegt noch ein langer Weg vor Pessl, der sich derzeit im Krankenstand befindet. Im November tritt er abermals eine Reha an.

Die Dankbarkeit überwiegt

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Groll hat er aber während all der Zeit nie verspürt: „Man lernt wieder, demütig zu sein und kleine Dinge wie einen Schluck Apfelsaft zu genießen. Ich kann nur immer wieder sagen, wie viel Glück ich hatte, so gute Freunde und gute Ärzte gehabt zu haben.“