Am Freitag wurde die Fallstudie einer Patientin veröffentlicht, die mit Ihrem Medikamenten-Kandidaten APN01 erfolgreich behandelt wurde: Was kann ein Fall über die Wirksamkeit aussagen?
JOSEF PENNINGER: Tatsächlich können wir aus dieser Studie sehr viel herauslesen, deshalb haben wir sie auch publiziert. Unser Kandidat erfüllt ja zwei Funktionen: Einerseits blockiert er das Virus und hindert es daran, in die Zellen einzudringen, andererseits schützt es über die Enzym-Aktivität auch unsere Organe. Die zentrale Frage war: Funktioniert die Aktivierung dieser Enzym-Aktivität auch in einer schwer kranken Patientin? Wir konnten zeigen: Ja, es funktioniert wunderbar. Das Enzym schlug innerhalb weniger Stunden an.
Was hat der Fall der Patientin außerdem noch gezeigt?
Wir wollten wissen: Was passiert, wenn wir unseren Wirkstoff einer schwer kranken Patientin direkt ins Blut verabreichen: Der Wirkstoff wird sich an das Virus binden, aber erkennt das Immunsystem das Virus dann überhaupt noch und kann es das Virus bekämpfen? Im schlimmsten Fall hätte die Erkrankung sogar schlimmer werden können. Aber es zeigte sich: Die Patientin konnte Antikörper bilden, das Immunsystem reagierte auf das Virus. Diese beiden Aussagen waren absolut kritisch und die lassen sich schon aus diesem einen Patientenfall ziehen. Wir haben auch gesehen, dass dieser gefährliche Zytokinsturm, das überschießende Immunsystem, sehr schnell runterreguliert wird – die Daten sind toll, aber wir müssen die Erfolge jetzt in vielen anderen Patienten bestätigen.
Parallel läuft ja die große Phase2-Studie, in der 200 Patienten in verschiedensten Ländern behandelt werden sollen: Welchen Einfluss hat dieser Fallbericht auf die andere Studie?
Dieser Fallbericht der Patientin könnte unserer Phase2-Studie helfen: Die Ärzte in den Studienzentren, die Patienten behandeln, sehen nun, dass unser Wirkstoff funktioniert. Die Kliniker haben ja 20 andere Medikamentenkandidaten, die sie geben können – jedes Studienzentrum kann frei entscheiden, daher ist es sehr wichtig zu zeigen: Der Wirkstoff funktioniert. Es sind 1200 klinische Studien zu Covid-Medikamenten angemeldet, die großen Pharma-Player haben natürlich ganz andere Mittel, ihre Kandidaten in die Welt zu bringen.
Was unterscheidet APN01 von all diesen anderen Kandidaten?
Es ist einzigartig, weil es eben die doppelte Wirkung hat: Es blockiert nicht nur das Virus über das Spike-Protein – das tun 50 Prozent aller Medikamente und Impfansätze –, sondern schützt auch die Organe über die Enzymaktivität. Wir sehen jetzt auch immer deutlicher, dass Covid-19 langfristige Schäden an Herz und anderen Organen machen kann, daher hat unser Medikament jedenfalls einen Platz in der Behandlung.
Als wir das letzte Mal gesprochen haben, sagten Sie: Im Herbst sei eine zweite Welle wahrscheinlich, wir werden aber viel besser damit umgehen können. Nun hat der Herbst gerade erst begonnen und die Verbotsschrauben werden schon wieder scharf gestellt. Sind wir nicht lernfähig?
Ich denke, wir haben wahnsinnig viel gelernt: Unsere Diagnostika sind viel besser geworden, wir sind in allen Bereichen besser vorbereitet. Ja, wir sind nun schon in der zweiten Welle und wir werden auch wieder Maßnahmen treffen müssen, aber es wird nicht so schlimm werden wie beim ersten Mal, glaube ich. Die Ärzte und Intensivmediziner sind besser geworden, Restaurants sind vorbereitet, führen Listen zur Kontaktnachverfolgung, vielleicht wird es bald gute Schnelltests geben. Wir müssen besser geworden sein, das geht doch nicht anders.
Wie bewerten Sie den weltweiten Wettlauf um eine Impfung: Sind hier Sicherheitsrisiken zu befürchten?
Zunächst muss man sagen: Es gibt tolle neue Technologien, die die Entwicklung viel schneller machen, das wird uns auch für andere Erkrankungen helfen. Diese RNA-Impfungen sind wirklich super. Aber wir müssen sehr sorgfältig sein: Mit einer Impfung behandeln wir Gesunde, mit der Hoffnung, dass sie nicht so schwer oder gar nicht an Covid-19 erkranken. Das heißt, das Nebenwirkungsprofil muss in einem Rahmen sein, mit dem wir umgehen können. Was gar nicht geht, aber leider schon passiert: Dass die Politik hier mitmischt. In den USA soll noch vor der Wahl ein Impfstoff zugelassen werden, aus rein politischen Gründen. Das ist sehr problematisch. Und wir sehen ja auf der ganzen Welt, zu welchem Politikum das Thema Impfung geworden ist. Ich sage daher: Gehen wir sorgfältig damit um, finden wir einen möglichst guten und sicheren Impfstoff. Die Politik hat dabei nichts zu suchen.