Sogenannte Smartwatches und Fitnessarmbänder sind ein Verkaufsschlager. Der moderne Mensch vermisst sich dauernd selbst. Ist das nicht schon übertrieben?
JANA WINDHABER: Bedenklich wird es immer dann, wenn es der Gesundheit schadet. Menschen, die ihre Werte ständig messen, sind im Regelfall aber so auf ihre Gesundheit bedacht, dass sie bei diesen Messungen sehr genau sind, eventuell ein richtiges Fitnesstagebuch führen. Das finde ich gar nicht so schlecht. Statt auf das Körpergefühl, wird dann halt auf dieses Feedback gesetzt. Dafür muss man aber auch die richtigen Instrumente haben. Die Pulsuhr ist das Optimum. Schlecht wird es dann, wenn man nur mehr dem Gerät vertraut. Auch bei einer Pulsuhr kann es Ausschläge nach oben geben. Es gibt Leute, die dann ausflippen und glauben, sie wären schwer krank. Dabei war das nur ein Gerätefehler. Man muss diese Dinge mit gewissem Hausverstand bedienen können.
Kann man sich beim Training nicht einfach auf sein Körpergefühl verlassen?
JANA WINDHABER: Es gibt Menschen, deren Körpergefühl tatsächlich so gut ist, dass sie ihre Grenzen realistisch einschätzen können. Das sind aber nur wenige und meistens keine Wettkampftypen, sondern Menschen, die Bewegung aus Freude machen - und das schon lange. Ich weiß aber aus eigener Erfahrung: Man kann sich gelegentlich stark verschätzen, wenn man nicht die Rückmeldung einer Pulsuhr hat. Anfängern empfehle ich auf jeden Fall, eine Pulsuhr zu verwenden.
Damit die Pulsuhr hilft, braucht es aber auch noch einen guten Trainingsplan. Den kann man sich mithilfe unzähliger Unterlagen im Internet doch auch selbst zusammenstellen?
JANA WINDHABER: Früher einmal gab es standardisierte Trainingspläne für bestimmte Ziele wie etwa einen Halbmarathon. Das ist Vergangenheit, da man mit solchen Einheitsplänen unter Umständen ein unnötiges gesundheitliches Risiko eingeht. Heute weiß man, dass es keine Schablonen gibt, die man über alle Menschen stülpen kann. Mit einem Trainingsprogramm ist es ähnlich wie mit einem Medikament: Auf die richtige Dosis kommt es an. Der Dreh- und Angelpunkt ist die richtige Trainingsherzfrequenz, die bei jedem eine andere ist. Diese ganzen Fitness-Messer zeigen diesen Wert nicht an: Sie funktionieren nur über Bewegungssensoren und Schrittzähler.
Was empfehlen Sie also Hobbysportlern, die ihre Leistungsfähigkeit nachhaltig verbessern wollen?
JANA WINDHABER: Zuallererst braucht es eine Ergometrie beim Sportmediziner oder Internisten: Dadurch ergibt sich ein klares Bild vom Ist-Zustand des Körpers, ob das Herz und die Lunge unter Belastung gesund sind und der Blutdruck nicht in schwindelnde Höhen steigt. Ergibt dieser Test eine durchschnittliche Leistungsfähigkeit von 100 Prozent, heißt es dann zum Beispiel, dass man einen Trainingsumfang von eineinhalb Stunden pro Woche braucht, um besser zu werden, und zwar in einer ganz bestimmten Intensität bzw. Herzfrequenz. Diese Einheiten könnte man zum Beispiel auf drei Einheiten zu jeweils 30 Minuten aufteilen.
Lohnt sich ein Laktattest?
JANA WINDHABER: Im Leistungssport ist er unverzichtbar, für Anfänger hat er weniger Bedeutung.
Wenn ich merke, dass sich meine Kondition verbessert, sollte ich die Leistung steigern.
JANA WINDHABER: Grundsätzlich braucht der Körper ungefähr vier Wochen, bis er sich an einen Reiz gewöhnt. Zusätzlich gibt man ihm zwei Wochen Zeit, um dieses Niveau gewissermaßen zu stabilisieren, ehe man den nächsthöheren Reiz setzt. Nach etwa 12 bis 16 Wochen sieht man bei einer medizinischen Kontrolle dann nach, was sich im Körper wirklich getan hat.
Besonderer Ehrgeiz ist also kontraproduktiv?
JANA WINDHABER: Dazu muss man wissen: Besser wird man nicht durch das Training, sondern in der Regenerationsphase. Training ist der Reiz, dass sich im Körper etwas tut. Der Körper merkt durch das Training, dass er mehr Blutgefäße wachsen lassen muss, mehr Blutvolumen benötigt und der Herzmuskel stärker werden muss, damit er die Belastung, wenn sie wiederkommt, auch gut aushält. Die Weiterentwicklung passiert, wenn ich mich ausraste. Wer täglich einen Trainingsreiz setzt, lässt dem Körper keine Chance dazu. Dann wird man mit dem Training nicht besser, sondern schlechter. Am Ende spielt dann auch der ganze Bewegungsapparat nicht mehr mit und man wird zu einer Pause gezwungen, in der man alles verliert, was man sich hart erarbeitet hat.
Wie verteilt man diese Pausen bzw. Trainingseinheiten nun am besten?
JANA WINDHABER: Bei geringer Leistungsfähigkeit beginnt man ohnehin mit geringem Trainingsumfang, und es gibt genug Pausen. Sie sollten nur nicht zweimal hintereinander trainieren und den Rest der Woche nichts mehr machen. Achten Sie auf eine gute Verteilung. Wenn der Trainingsumfang steigt, müssen sie schon vorsichtiger sein, bei neun Stunden pro Woche sollte ein Tag auf jeden Fall ein Ruhetag sein.
Trainingseinheiten unter einer halben Stunde bringen gar nichts?
JANA WINDHABER: Bei Erwachsenen kommt es bei durchgehender Bewegung über mehr als 10 Minuten - und in der richtigen Intensität - zur Ausschüttung jener Stoffe im Körper, die die erwünschten körperlichen Veränderungen anregen.
Ist dabei jede Sportart gleichermaßen geeignet?
JANA WINDHABER: Für den Bewegungsapparat ist Abwechslung am gesündesten, weil dann die Überlastungen für die einzelnen Strukturen nicht so groß sind. Es kann freilich nicht jeder Inlineskaten oder Schwimmen gehen. Aber jeder kann gehen und zumindest einen Standergometer benutzen.
Brauchen Hobbysportler Nahrungsergänzungsmittel?
JANA WINDHABER: Nahrungsergänzungsmittel sind für den Großteil der Menschen vollkommen unnötig, es sei denn, es gibt einen nachgewiesenen Mangel an irgendetwas.
Wie wichtig sind bei einem Trainingsprogramm ehrgeizige Ziele wie etwa ein Marathon oder Halbmarathon?
JANA WINDHABER: Grundsätzlich sind Ziele immer gut, sie müssen aber realistisch sein. Ein an sich gesunder, aber völlig untrainierten Mensch wird vernünftigerweise zwei Jahre Training brauchen, um ohne erhöhtes gesundheitliches Risiko an einem Marathon teilnehmen zu können. Wer hingegen schon mit einer leicht überdurchschnittlichen Leistungsfähigkeit zufrieden ist, wird diese mit etwa zweieinhalb Stunden Training nach drei bis vier Monaten erreicht haben. Auf diesem Level kann man dann über Jahre bleiben. Damit lässt sich der Alltag generell besser meistern, man kommt mit Stress besser zurecht und kann bei etwas anstrengenderen Aktivitäten mit seinen Freunden leichter mithalten.