Die Grippe-Impfung wird ins Gratis-Kinderimpfprogramm aufgenommen, die Regierung stellt 200.000 Dosen zur Verfügung. Ein richtiger Schritt?
Monika Redlberger-Fritz: Das ist ein wichtiger Schritt, um die Akzeptanz der Influenza-Impfung zu erhöhen und die Durchimpfungsrate zu steigern. Bisher liegt diese leider nur bei sechs bis acht Prozent, das ist viel zu gering. Gerade heuer wäre eine hohe Durchimpfungsrate wichtig, um die Zirkulation des Grippevirus so gut es geht zu verhindern. Denn: Bei starken Grippewellen erreicht das Gesundheitssystem schon die Kapazitätsgrenzen. Kommt da noch die Corona-Pandemie dazu, werden wir ein großes Problem bekommen – mit der Grippe-Impfung könnten wir vorbeugen.
Welche Rolle spielen Kinder für die Ausbreitung der Grippe?
Wir wissen aus vielen Studien: Wenn man Kinder gegen Grippe impft, reduziert man dadurch die Virusverbreitung und die Todesfälle in der älteren Bevölkerungsgruppe. Kinder sind bei der Influenza die Motoren der Ausbreitung – beim Coronavirus ist das nicht so, wie wir mittlerweile wissen.
Braucht es nicht noch mehr Anreize, um Menschen zur Grippe-Impfung zu bringen – vielleicht sogar eine Impfpflicht?
Wir müssen die Zugangsschwelle zu Impfungen dringend senken – momentan ist diese Schwelle relativ hoch. Eine Impfpflicht für die Gesamtbevölkerung ist nicht angebracht – anders ist die Situation im Gesundheitsbereich, vor allem auf Stationen, wo Schwerkranke betreut werden.
In China wurde ein neuer Schweinegrippe-Stamm entdeckt, der Pandemie-Potenzial habe. Steht die nächste Pandemie schon bevor?
Prinzipiell ist das nichts Ungewöhnliches: Grippeviren kommen unter anderem auch in Vögeln und Schweinen vor – dass neue Stämme entstehen, passiert ständig. Die Entdeckung dieses Stammes bedeutet, dass man sehr genau beobachten muss, ob dieses Virus auch von Menschen zu Mensch übertragbar wird – solange das nicht passiert, haben wir noch kein Problem. Es gibt verschiedene Mutationen, die stattfinden müssen, damit ein Influenzavirus leicht von Mensch zu Mensch übertragen werden kann. Eine ähnliche Situation hatten wir schon 2004/05, als ein hochpathogenes Vogelgrippevirus aufgetreten ist und tausende Menschen infiziert hat – dieses Virus ist zwar von Tieren auf den Menschen übergegangen, war aber nicht leicht von Mensch zu Mensch übertragbar. Dieser neue Virusstamm ist ein potenzieller Kandidat für eine Pandemie – solche Viren tauchen jedes Jahr auf und müssen ganz genau beobachtet werden.
Was sind die Voraussetzungen, damit so ein neuer Virusstamm entsteht?
Neue Stämme der Schweinegrippe, wie in diesem Fall, treten vor allem in der Schweinezucht auf, wo Tiere auf engstem Raum zusammenleben. Ist ein Tier betroffen, kann das Virus schnell den gesamten Stall befallen. Außerdem wissen wir, dass Influenzaviren ständig mutieren: Zwei Influenzaviren können ganze Teile der genetischen Information austauschen, wodurch ein ganz neues Virus entstehen kann. Dann hängt es davon ab, ob dieses pandemisches Potenzial hat oder nicht – das ist das Würfelspiel der Natur.
Die Corona-Pandemie ist noch nicht überstanden, die Infektionszahlen steigen. Warum?
Die Bevölkerung ist zu sorglos. Die Menschen halten sich an keine Abstandsregeln, tragen keine Masken – da dürfen wir uns nicht wundern, dass die Infektionszahlen steigen.
Immer wieder gibt es Stimmen, die sagen: Die Corona-Pandemie ist auch nicht schlimmer als die jährliche Grippewelle, was soll die Panik. Zahlen der diesjährigen Grippewelle zeigten auch: Es starben mehr Menschen an Influenza als bisher an Covid-19.
Ich wehre mich dagegen, Covid mit der Influenza zu vergleichen. Das sind zwei völlig unterschiedliche Erkrankungen mit zwei gänzlich unterschiedlichen Voraussetzungen. Bei Covid-19 gibt es gar keine Grund-Immunität in der Bevölkerung – jeder kann daran erkranken und sich damit infizieren. Die Influenza kommt seit Jahrzehnten jedes Jahr nach Österreich, daher gibt es eine gewisse Grundimmunität in der Bevölkerung – nur jene Gruppe, die gänzlich ungeschützt ist, erkrankt. Das sind ganz unterschiedliche Voraussetzungen, daher sind die beiden Erkrankungen nicht vergleichbar. Und bezüglich der Sterblichkeit: Man braucht kein großer Statistiker zu sein, um die Zahlen einzuordnen. Die Influenza führte zu etwa 800 Todesfällen bei 330.000 Infizierten. Bei Covid-19 hatten wir etwa 17.000 Infizierte und rund 700 Todesfälle. Die Relation kann auch deshalb noch gar nicht verglichen werden, weil wir dazu wissen müssten, wie groß die Dunkelziffer der Covid-Infizierten wirklich ist.