Wie viele Menschen sind immun gegen das neue Coronavirus? Wie gut schützen Antikörpervor einer Ansteckung? Und wie lange hält der Schutz? Das sind entscheidende Fragen in der Pandemie – ein neuer Antikörpertest „made in Austria“ soll nun helfen, Antworten zu finden. Die Basis für das Testsystem schuf ein gebürtiger Steirer in New York: Mikrobiologe Florian Krammer hat an der Icahn School of Medicine at Mount Sinai den ersten nicht-kommerziellen Antikörpertest entwickelt: Der Test wurde von den US-Behörden zugelassen und in New York bei Zehntausenden Patienten eingesetzt – auch mit dem Ziel, jene Genesenen zu finden, die besonders viele Antikörper im Blut haben und sich als Plasmaspender eignen.
Auf Krammers Basis haben Forscher von Boku Wien, Vetmeduni Wien und MedUni Wien nun einen Antikörpertest entwickelt, der nicht nur sehr genau sein soll, sondern auch in Standard-Labors ohne spezielle Ausstattung durchführbar ist – ein entscheidender Unterschied zu kommerziellen Systemen, sagen die Forscher. „Unser Testsystem ist in vielen Laboren einsetzbar – im Unterschied zu den Systemen kommerzieller Anbieter, wo es meist hochspezialisierte Analysegeräte braucht, um die Tests nutzen zu können“, sagt Wilhelm Gerner vom Institut für Immunologie an der Veterinärmedizinische Universität Wien.
Wie viele Antikörper braucht es, um immun zu sein?
Ein Antikörpertest definiert sich darüber, wie zuverlässig er Antikörper entdecken kann (Sensitivität) und wie wenig anfällig er dafür ist, fälschlicherweise auf andere Antikörper zu reagieren (Spezifität). „Wir mussten ausschließen, dass der Test auf Antikörper gegen andere Coronaviren reagiert“, erklärt Reingard Grabherr von der Boku. Das rot-weiß-rote Testsystem schneide in beiden Aspekten sehr gut ab, unterstreichen die Forscher – mit der Erklärung, dass man den Test sehr gut kenne und gut interpretieren könne, da man ihn selbst entwickelt hat.
Nun sagt der reine Nachweis von Antikörpern im Blut aber noch wenig über die tatsächliche Immunität – also den Schutz vor einer neuerlichen Ansteckung aus: Deshalb sollen solche Bluttest in Zukunft auch die Qualität der Immunantwort beurteilen können.
„Bei der Immunantwort geht es um Qualität und Quantität“, sagt Florian Krammer, selbst Boku-Absolvent. Die Qualität hänge auch davon ab, gegen welche Bestandteile des Virus Antikörper gebildet werden – so schützen Antikörper gegen ein Nukleoprotein im Inneren des Virus wahrscheinlich nicht vor einer Ansteckung. Antikörper gegen das Spike-Protein, hingegen, das wie ein Stachel an der Oberfläche des Virus sitzt, können das Coronavirus neutralisieren – also unschädlich machen. „Je mehr man davon hat, umso besser“, sagt Krammer – doch wie viele dieser Antikörper man braucht, um auch wirklich vor einer Ansteckung geschützt zu sein, wisse man noch nicht.
Wie lange schützt die Impfung?
Doch genau das ist die entscheidende Frage – und der Anspruch der Forscher ist es, dass dieser Bluttest in Zukunft etwas über die Qualität der Immunantwort aussagen kann. Dazu laufen nun sogenannte Neutralisationstests: Dabei wird das Virus mit Blutproben zusammengebracht, die Antikörper enthalten – können die Antikörper das Virus unschädlich machen, zeigt das eine schützende Immunantwort.
„Wir wissen von anderen Viren, dass neutralisierende Antikörper vor einer neuerlichen Ansteckung schützen, wir haben auch im Tiermodell gesehen, dass diese Antikörper vor einer neuerlichen Infektion schützen – wir nehmen also an, dass das auch bei Menschen nach einer SARS-CoV-2-Infektion der Fall ist“, sagt Krammer.
Dafür spreche auch die Beobachtung, dass es an Krammers Krankenhaus in New York keinen einzigen Patienten gegeben habe, der sich nach einer Covid-Erkrankung neuerlich angesteckt hat. „Trotzdem müssen wir jetzt in Studien nachweisen, dass Antikörper schützen – und wie viele man davon braucht.“ Das sei nicht nur für die Pandemie-Maßnahmen wichtig, sondern auch für die Suche nach einem Impfstoff: Es muss untersucht werden, wie lange der Impfschutz anhält.
China gegen den Rest der Welt
Apropos Impfung: Momentan laufen mehr als hundert Impfstoffprojekte weltweit, zehn Impfstoffe sind bereits in der klinischen Prüfung – werden also an Menschen getestet. „Im Westen konzentriert man sich vor allem auf moderne Ansätze, RNA- oder DNA-Impfstoffe“, sagt Krammer – Technologien, die bis dato noch nie zur Marktreife geschafft haben.
In China hingegen geht man einen traditionellen Weg und forscht an inaktivierten Impfstoffen: Ein bewährtes und schon oft genutztes Verfahren, wobei Viren gezüchtet, unschädlich gemacht und dann als Impfung genutzt werden. „Ich bin ein Fan dieser old-school-Lösung“, sagt Krammer – auch deshalb, weil man dabei wisse, dass diese Impfstoffe funktionieren.
Eine Absage erteilen die Forscher aber der Hoffnung, Antikörper gegen andere, harmlose Coronaviren (die typischerweise Erkältungen auslösen), könnten auch vor SARS-CoV-2 schützen – „darauf sehen wir leider keine Hinweise“, sagt Gerner.
Im Sommer einsetzbar
Nun wird das Testsystem jedenfalls zertifiziert – ab Sommer soll der Test routinemäßig in Laboren und Krankenhäusern eingesetzt werden. Und auch Antworten darauf liefern, wie Immunität gegen das Virus entsteht. Die Annahme heute: Nach einer Infektion ist man „vermutlich für einige Zeit geschützt, aber nicht lebenslang“, sagt Krammer.