Mit der Zuschreibung „Risikogruppe“ geht für viele Menschen in der Pandemie eine große psychische Belastung einher: Auch Menschen mit Multipler Sklerose (MS) werden zur Covid-Risikogruppe gezählt. Die Folge davon: Viele Betroffene vermeiden auch bei akuten Beschwerden den Besuch in der Ambulanz, zeigt Christian Enzinger auf. Der Neurologe leitet die MS-Ambulanz am LKH-Uniklinikum Graz. Den heutigen Welt-MS-Tag möchte der Experte nicht nur zum Anlass nehmen, um verstärkt auf die Krankheit aufmerksam zu machen: „Wichtig ist jetzt, den Patienten die Angst zu nehmen. Die große Gefahr für MS-Patienten liegt nicht so sehr in einer Ansteckung, sondern im Abbruch einer erfolgreichen Therapie“, sagt Enzinger.

Multiple Sklerose selbst mache keinen Patienten anfälliger für eine Infektion mit Covid-19. „MS ist eine chronisch-entzündliche Erkrankung von Gehirn und Rückenmark. Dabei reagiert das Immunsystem falsch auf das zentrale Nervensystem“, erklärt Enzinger. Dadurch kommt es zu mehreren Entzündungsherden im Körper, die Bewegungen und das Sehvermögen beeinträchtigen können.

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„MS ist inzwischen eine sehr gut behandelbare Erkrankung. Wir können Patienten gut helfen, sodass es keine Katastrophe mehr ist, wenn man diese Diagnose erhält“, sagt Enzinger. Voraussetzung für eine erfolgreiche Behandlung seien regelmäßige Kontrolltermine in der Ambulanz „Wir haben im Krankenhaus höchste Sicherheitsvorkehrungen. Die Patienten kommen nur mit ihrem Arzt in Kontakt. Ein viel größeres Risiko als die Ansteckungsgefahr ist, einen akuten Schub der Erkrankung nicht behandeln zu lassen“, sagt Enzinger. Das könnte für Patienten großes Leid bedeuten.

Erste Berichte ausItalien und Spanien geben außerdem Anlass, vorsichtig optimistisch zu sein. Dort wurden 250 MS-Patienten, die an Covid-19 erkrankt waren, untersucht. Das Ergebnis: MS-Patienten, die eine immunwirksame MS-Therapie erhalten, scheinen ein vermindertes Risiko für einen schweren Verlauf einer Covid-19-Erkrankung zu haben. Der Grund dafür könnte sein, dass bei schweren Covid-Verläufen oft die übersteuerte Reaktion des Immunsystems eine Gefahr für den Körper darstellt. Durch MS-Therapien sei das Immunsystem aber gedrosselt, was eine Überreaktion zu vermeiden scheint. „Um dieses Phänomen genau beurteilen zu können, werden noch weitere Daten erhoben“, sagt Enzinger. Die ursprüngliche Angst vor besonders schweren Verläufen bei MS-Betroffenen scheint vorerst aber entkräftet.