Herr Penninger, wir kennen das neuartige Coronavirus nun seit gut fünf Monaten: Was haben Sie darüber gelernt?
Josef Penninger: Ich liebe ja Viren und muss sagen, dieses Virus ist genial. Es hat einen Mechanismus getroffen, der es ihm erlaubt, in die verschiedensten Organe einzudringen, es verbreitet sich, noch bevor die Menschen krank werden. Es führt dazu, dass Erkrankte trotz schwerer Lungenentzündung die Atemnot nicht bemerken, wodurch Menschen gar nicht merken, dass sie schwer krank sind und das Virus weiterverbreiten. Es ist nun auch gezeigt, dass das Virus auch im Stuhl infektiös ist – das Virus hat ziemlich viele Tricks drauf.

Wie hat die Pandemie Ihr Forscherleben beeinflusst?

Die Pandemie hat unser Forscherleben völlig durcheinandergeworfen, zurzeit darf auf dem ganzen Planeten nur an Covid-19 geforscht werden. Forschungsförderungen für andere Projekte wurden abgesagt. Es wird vieles auf der Strecke bleiben. Ich kann aus meinem eigenen Lebenslauf erzählen: 1998 habe ich den ACE-2-Rezeptor mitentdeckt, den das Coronavirus als Eintrittstor in den Körper nutzt. Damals sagte ein älterer Forscher zu mir: Das Projekt sei nutzlos, ich solle aufhören. Deshalb müssen wir der Welt sagen: So wichtig ist Grundlagenforschung!

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Wo stehen wir jetzt in der Pandemie?

Wahrscheinlich in der Mitte, aber es ist schwierig zu sagen. In Europa klingt die Pandemie ab, die Maßnahmen, die getroffen wurden, waren richtig, Österreich hat einen tollen Job gemacht. Doch in anderen Ländern wie in Russland oder Brasilien explodieren die Zahlen. Die Spanische Grippe ist dreieinhalb Jahre durch die Welt gezogen. Es wird noch dauern.

Welche Errungenschaften werden die Pandemie stoppen?

Das erste, was wir brauchen sind Medikamente, die in verschiedenen Stadien der Erkrankung wirken. Und dann müssen wir einen Impfstoff machen. Wie schnell das passiert und wie schnell der dann für Milliarden von Menschen zur Verfügung stehen wird, wird sich herausstellen.

Sie haben einen Wirkstoff mitentwickelt, der auch in Österreich an Patienten getestet wird. Wie hoffnungsvoll dürfen wir sein?

Unser Medikament hat zwei Funktionen: Es blockiert das Virus und hindert es daran, über den ACE-2-Rezeptor in unsere Zellen einzudringen. Gleichzeitig schützt es unsere Organe vor Organversagen. In verschiedenen EU-Ländern laufen Studien, die ersten Patienten sind rekrutiert. Da die Studie doppel-verblindet ist, erfahren wir die Ergebnisse erst, wenn alle Patienten untersucht wurden. Wir hoffen, dass das im Sommer so weit ist.

Sie können nichts verraten?

Genau. Aber wir haben Heilversuche gemacht, dazu schreiben wir gerade eine Arbeit.

Ihrem Gesichtsausdruck nach sind diese Ergebnisse positiv?

(Penninger lächelt, aber schweigt.)

Sie haben mit dem ACE-2-Rezeptor einen fundamentalen Mechanismus für die Virus-Ansteckung im Körper entschlüsselt – eine nobelpreisverdächtige Entdeckung?

Sagen wir so: Näher werde ich dem Nobelpreis wohl nicht kommen. Wenn man in die Nähe kommt, ist das auch nicht schlecht.

Wie sicher ist es, dass wir eine effektive Impfung finden?

Wir wissen, dass das Virus mutiert, das kann man nicht schönreden. Das Virus mutiert auch an Stellen, die dazu führen könnten, dass Impfstoffe nicht mehr funktionieren. Nun gibt es Impfstoffansätze, die sich nur auf einen Ansatzpunkt am Virus fokussieren – aber alles, was das Virus braucht, ist eine Änderung und dann ist eine Milliardeninvestition weg und wir müssen es anders machen. Aber ich denke, es wird Impfstoffe geben und wir brauchen auch keinen hundertprozentigen Impfstoff. Wir können wie bei der Grippe mit Impfstoffen leben, die eine vernünftige Immunität auslösen und die man alle zwei bis drei Jahre erneuern muss. Das Wichtigste ist, dass der Impfstoff sicher ist. Ich in zuversichtlich, dass wir das hinkriegen, aber es wird nicht so schnell gehen, wie Politiker ankündigen.

Virologen sagen: Das wird nicht das letzte Virus sein, das auf Menschen überspringt.

Es gibt eine Subgruppe von Corona-Viren, die können alle auf den Menschen springen. Das war nur der Anfang. In Stockholm arbeiten wir in einem Hochsicherheitslabor an Viren wie Ebola und SARS – das machen wir, weil sich das Klima ändert und Moskitos nach Europa kommen, die Viren mitbringen. So haben wir Technologien entwickelt, um herauszufinden, wie diese Viren funktionieren, welche Schwachstellen sie haben. Noch vor einem Jahr bin ich, wenn ich mit solchen Projekten um Förderungen angesucht habe, hinausgeworfen worden – es hieß, das sei irrelevant.

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