"Bis es eine Impfung gibt“: Diesen Zeithorizont hört man in vielen Überlegungen zum Ende der Covid-Pandemie. Doch wie sicher können wir uns sein, dass es so eine Impfung geben wird?

FLORIAN KRAMMER: Ich bin sehr zuversichtlich, dass es eine Impfung geben wird. Es werden schon fünf Impfstoff-Kandidaten im Menschen getestet, in den USA, in Großbritannien und in China laufen diese Phase-I-Studien, und es kommen immer mehr dazu, in Deutschland wurde eine klinische Studie angekündigt. Wir sehen jetzt auch schon erste Daten aus dem Tiermodell aus China, die sehen sehr gut aus: Ein sehr einfacher Impfstoff konnte Rhesusaffen vor einer Infektion mit Sars-CoV-2 schützen.

Hat dieses neue Coronavirus Eigenschaften an sich, aufgrund deren Sie sagen können: Dagegen können wir gut impfen?

Es wurde ja schon ab 2003, nach der Sars-Pandemie, an Sars-Impfstoffen gearbeitet – doch sobald das Virus weg war, gab es keine Forschungsgelder mehr. Daher sind wir auf solche Ausbrüche nicht vorbereitet. Doch zumindest wissen wir, welches Antigen wir in die Impfung packen müssen: Es ist das Spike-Protein, das an der Oberfläche des Virus sitzt. Wenn wir damit impfen, produziert das Immunsystem in der Folge neutralisierende Antikörper. Das ist relativ einfach, nicht so wie bei HIV, wo man 30 Jahre an einem Impfstoff forschen muss. Es ist auch nicht wie bei Influenza, dass sich das Virus ständig verändert: Coronaviren können sich verändern, aber das passiert nicht sehr häufig.

Florian Krammer, Impfstoffforscher
Florian Krammer, Impfstoffforscher © Sebastian Krammer

Man spricht heute schon von unterschiedlichen Stämmen des neuen Coronavirus.

Ja, es gibt einen asiatischen und einen europäischen Stamm. Aber es wurde schon gezeigt, dass Antikörper gegen beide Stämme gleich gut wirken, da gibt es wenige Mutationen.

Nun gibt es andere Vertreter der Coronaviren, die harmlose Erkältungskrankheiten auslösen: Gegen diese Viren gibt es keinen Impfstoff und man kann sich auch immer wieder anstecken. Spricht das gegen einen Impfstoff?

Nein. Wir könnten sehr wohl einen Impfstoff gegen diese harmloseren humanen Coronaviren herstellen – aber das zahlt sich nicht aus, weil die Krankheitsverläufe so milde sind. Niemand würde sich impfen lassen, Firmen würden keinen Gewinn machen. Von humanen Coronaviren haben wir auch Daten, die zeigen: Wenn man nach der Infektion Antikörper gebildet hat, ist man immun – wie lange diese Immunität anhält, ist eine andere Frage. Vielleicht hält der Immunschutz gegen Sars-CoV-2 nur für ein bis drei Jahre, aber das wäre auch kein Problem – die Zeckenimpfung muss man ja auch auffrischen.

Es werden unterschiedliche Ansätze für Impfungen verfolgt: Welcher ist der vielversprechendste?

Das ist noch schwer zu sagen. Eine chinesische Firma verwendet eine sehr alte Methode, wobei man das Virus in einem Bioreaktor wachsen lässt, abtötet und die Antigene als Impfstoff verwendet. Das ist eine primitive Technologie, lässt sich aber fast überall umsetzen – das können Hersteller auf der ganzen Welt machen. Demgegenüber gibt es moderne Methoden, die RNA-Impfstoffe: Da gibt es schon sehr gute Daten für andere Viren und es gibt drei oder vier Firmen, die solche Impfungen herstellen können. Da das eine neue Technologie ist, können wir noch schwer abschätzen, wie gut sie beim Menschen funktioniert. Doch alle Kandidaten, die in klinischen Studien getestet werden, sind vielversprechend, sonst würden die Firmen das gar nicht machen.

Die zentrale Frage ist: Wann wird es die Impfung geben?

Wir werden vermutlich Anfang 2021 einen Impfstoff haben.

Bis dahin muss sich die Welt überlegen, wie der Impfstoff fair verteilt wird – was wird es dafür brauchen?

Da gibt es zwei Dimensionen: Wie wird der Impfstoff weltweit verteilt? Das wird davon abhängen, wie viele Impfstoffe zugelassen sind und wie viele Hersteller Impfstoffe produzieren. Ich gehe davon aus, dass es nicht einen, sondern mehrere Impfstoffe geben wird. Wenn es mehrere Hersteller gibt und diese global gut verteilt sind – danach schaut es momentan angesichts der klinischen Studien aus –, wird man gute Lösungen finden, das aufzuteilen. Falls es nur einen Hersteller geben sollte, sind die Produktionskapazitäten sehr eingeschränkt.

Und die zweite Dimension?

Wen impfen wir innerhalb eines Landes zuerst? Gesundheitspersonal hat direkt mit Kranken zu tun, daher sind sie wahrscheinlich die Ersten, die man impft. Wenn man Hochrisikogruppen wie ältere Menschen vorrangig impfen will, muss man bedenken, dass Impfungen bei älteren Menschen oft nicht so gut funktionieren, weil das Immunsystem nicht mehr so fit ist. Da muss man eine Strategie entwickeln, welche Altersgruppe zuerst geimpft wird. Stellt man zum Beispiel durch das Durchimpfen der Jüngeren eine Herdenimmunität her, sind die Älteren dadurch auch geschützt. Das sind Fragen, die wir diskutieren müssen

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