Klaus Markstaller, Präsident der Österreichische Gesellschaft für Anästhesiologie, Reanimation und Intensivmedizin (ÖGARI):
"Bei jedem Schritt des Lockerns ist es aus medizinischer Sicht unerlässlich, dass die bekannten Sicherheitsregeln - Abstand halten, Hände waschen, Mund-Nasenschutz tragen - weiterhin strikt eingehalten werden. Denn das Ziel ist weiterhin: Es dürfen nicht explosionsartig viele Menschen gleichzeitig krank werden. Von diesen Verhaltensregeln werden wir uns noch lange nicht verabschieden können."
Rudolf Likar, Intensivmediziner und Primar am Klinikum Klagenfurt:
"Ja, wir haben in Österreich eine gute Entwicklung, aber trotzdem ist es wichtig, dass die Maßnahmen zum Ansteckungsschutz weiterhin eingehalten werden. Abstand halten, Hände waschen - auch der Mund-Nasenschutz bietet keine absolute Sicherheit."
Robert Krause, Infektionsspezialist der Med Uni Graz:
"Da die Lockerungen mit einer Ausweitung der Maskenpflicht einhergehen, sind die Lockerungen in Ordnung. Wichtig ist aber: Sobald die Zahlen der Infektionen wieder nach oben gehen, muss auch sofort wieder reagiert werden. Wir sehen jetzt zwar eine Stagnation der Zahlen, aber das kann sich sehr schnell wieder ändern."
Heinz Burgmann, Infektiologe an der Med Uni Wien:
"Wir sehen, dass die exponentielle Zunahme zurückgegangen ist, das heißt, die Interventionen waren erfolgreich. Da es aber Kollateralschäden für die Wirtschaft gibt, muss ein Mittelweg gefunden werden. Die Wahrscheinlichkeit, dass das Virus ganz zum Erliegen kommt, ist sehr gering – auf was wir bauen, ist, dass es zu einer Herdenimmunität kommt. Das bedeutet, dass es genug Menschen gibt, die durch eine durchgemachte Infektion immun gegen das Virus sind. Laut Schätzungen sind momentan nur 1 bis 2 Prozent der Bevölkerung mit dem Virus infiziert, eine Herdenimmunität stellt sich aber erst ab etwa 60 Prozent Infizierten ein - erst dann kommt die Ausbreitung zum Erliegen.
Die Beschränkungen zu lockern, kann nur portioniert und langsam ablaufen. Es ist ein sehr heikles Spiel, das man hier spielen muss. Gleichzeitig müssen auch jene Bevölkerungsgruppen geschützt werden, bei denen die Erkrankung besonders schwer verlauft. Darauf zu warten, dass es einen Impfstoff gibt, ist nicht wirklich eine Option.
Es ist wichtig zu sagen, dass wir uns eine sehr gute Situation erarbeitet haben – aber die können wir schnell wieder verlieren! Eine gute Zwischenzeit ist super, aber wenn ich vorher abbremse, komme ich auch nicht als Erster ins Ziel. Die Frage ist also: Wo kann ich an Stellschrauben drehen, sodass ich nicht zu viele auf einmal erkranken und dass Risikogruppen nicht betroffen sind. Die Ressource, die den Weg vorgibt, sind die Intensivbetten. Wir müssen uns optimal durch diesen Balanceakt navigieren, es liegt noch viel Arbeit vor uns, aber wir sind auf gutem Kurs.
Niki Popper, Informatiker und Simulationsexperte der TU Wien:
"Wir waren erfolgreich darin, die Infektionskurve zu senken. Im Gegensatz zu anderen Ländern haben wir es geschafft, dass uns die Intensivbetten nicht ausgehen. Und es braucht dringend ein Szenario, wie es weiter gehen kann. Das kann funktionieren, wenn wir eine schlaue Strategie haben. Das Um und Auf: Wir müssen ganz genau auf die Zahlen schauen und uns der Zeitverzögerung bewusst sein - die Inkubationszeit berücksichtigen. Wenn man hier schlau agiert, können die Einschränkungen auch vorsichtig wieder gelockert werden.
Und es gilt weiterhin: Je mehr wir uns als Bevölkerung an die Vorsichtsmaßnahmen halten, desto mehr Lockerungen wird es geben können, desto mehr Geschäfte können wieder aufsperren. Jeder von uns muss weiterhin soziale Kontakte reduzieren, wo es möglich ist. Zusätzlich braucht es auch eine sehr schlaue Test-Strategie, um die Zahlen im Blick zu haben."