Sie forschen als gebürtiger Steirer in den USA: Was denken Sie beim Blick auf die Entwicklungen in Österreich – sind Sie froh, nicht hier zu sein?

FLORIAN KRAMMER: Nein, ich bin froh über die Maßnahmen, die in Österreich getroffen werden. Sie sind rational. Man muss versuchen, die Ausbreitung zu bremsen, und ich glaube, dass es mit diesen Maßnahmen möglich ist.

Was, glauben Sie, wird die Pandemie beenden: ein Impfstoff, der Sommer oder ein Medikament?

FLORIAN KRAMMER: Wenn wir uns anschauen, wie sich andere Pandemien entwickelt haben, sehen wir, dass diese in Wellen kommen. Ich vermute, dass wir jetzt im Frühjahr eine Welle haben, es könnte sein, dass das Virus im Sommer weniger präsent ist, da es sich bei höheren Temperaturen auf Oberflächen weniger lange hält. Und es kann sein, dass es im Herbst eine nächste Welle gibt. Die Influenza-Pandemien zeigen: Die Viren gehen nicht weg, sie bleiben in der Bevölkerung. Doch wir werden das Virus in den Griff bekommen, sobald wir effektive Impfstoffe und Therapien haben. Aber es ist nicht absehbar, wann das endet.

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Florian Krammer, Impfstoffforscher
Florian Krammer, Impfstoffforscher © Sebastian Krammer

Was weiß man schon über den notwendigen Impfstoff?

FLORIAN KRAMMER: Beim neuen Coronavirus haben wir den richtigen Impfstoff schon identifiziert. Wir wissen von Sars und Mers, das nach wie vor Krankheiten im Mittleren Osten verursacht, dass ein spezielles Oberflächen-Protein, das sich Spike-Protein nennt, eine gute Antwort des Immunsystems auslöst. Darauf zielen diese Impfstoffe ab. Das Problem ist, dass es normalerweise 10 bis 15 Jahre dauert, bis der Impfstoff vom Labor auf den Markt kommt – die Zeit haben wir aber nicht. Es wird versucht, das so schnell wie möglich zu machen – vermutlich wird es ein Jahr dauern, vielleicht ein bisschen länger.

Nun wurde bekannt, dass die erste Testperson in Seattle einen möglichen Corona-Impfstoff injiziert bekommen hat. Stehen wir kurz vor dem Durchbruch?

FLORIAN KRAMMER: In dieser Phase I wird die Sicherheit des Impfstoffs der Biotechfirma Moderna an einer kleinen Gruppe von Freiwilligen getestet und es wird untersucht, ob es eine Immunantwort gibt – aber das ist trotzdem erst der Anfang der Impfstoff-Entwicklung.

Wie geht es jetzt weiter?

FLORIAN KRAMMER: Zuerst muss man sehen, ob die Wirkstoffe sicher sind, dann muss man untersuchen, ob der Impfstoff wirkt, und irgendwann kann der Impfstoff zugelassen werden – aber dann braucht es auch die Produktionskapazität, um den Impfstoff in großen Mengen herzustellen. Viele dieser Firmen sind kleine Biotech-Firmen, die die Produktionskapazitäten gar nicht haben. Das muss innerhalb eines Jahres bereitgestellt werden, die Produktionsanlagen müssen gebaut werden. Mit Medikamenten schaut es aber etwas rosiger aus.

Was tut sich im Bereich der Wirkstoffe?

FLORIAN KRAMMER: Da gibt es den Wirkstoff Remdesivir, der schon gegen Ebola getestet wurde und im Tiermodell sehr gut gegen Coronaviren wirkt – hier sollten wir bis April Daten zur Wirkung bei Patienten bekommen. Was unter anderem auch getestet wird: Antikörper aus dem Blut von Menschen zu gewinnen, die das Coronavirus hatten und wieder gesund geworden sind. Es wird wahrscheinlich zuerst einen Wirkstoff geben, bevor es eine Impfung geben wird.

Stichwort Produktionskapazitäten: Haben Sie Vertrauen, dass es eine globale Lösung für die Impfstoffvergabe geben wird?

FLORIAN KRAMMER: Ja, ich bin zuversichtlich: Es gibt so viele Hersteller, die an einem möglichen Impfstoff arbeiten, in vielen Ländern der Erde. Es gibt dadurch auch lokale Möglichkeiten, den Impfstoff herzustellen – wahrscheinlich wird es viele Impfstoffe von vielen Firmen geben, um den Bedarf zu decken.

Wie überrascht sind Sie als Virologe von dieser Pandemie?

FLORIAN KRAMMER: Wir hatten Influenza-Pandemien in den Jahren 1918, 1957, 1968, wir hatten H1N1, das 2009 um die Welt ging, aber relativ mild war. Es gab 2003 den Warnschuss mit Sars, das konnte man stoppen. Wir wissen, die Viren sind da. Es ist für die Welt nichts Neues, aber es ist eben schon lange nicht mehr passiert.

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