Bis in die Abendstunden diskutierte Montag eine hochrangige Expertenkomission in Wien. Ziel und Zweck: Minister und Bundesregierung Vorschläge zu unterbreiten, wie man aus medizinischer Sicht mit den Auswirkungen der Coronavirus-Epidemie umgehen soll.

Der Punkt, an dem klar wurden, dass eine Strategie der Eindämmung nicht funktioniert, war, als Statistiken zu den Infektionszahlen von Italien und Österreich verglichen wurden. Anhand der Infektionskurven war zu erkennen, dass Italien bei der Ansteckungsrate etwa zwei Wochen vor Österreich liegt – und dass ohne Maßnahmen die Infektionskurve auch bei uns in ein paar Wochen massiv ansteigen könnte.

Intensivbetten und Beatmung

So ein Anstieg wäre mit weitreichenden Folgen verbunden. Es geht darum, ausreichend Intensivbetten bereitzustellen und Geräte für die künstliche Beatmung der Patienten, wenn sie aufgrund von schweren Covid-19-Symptomen intensivmedizinisch betreut werden sollen. Zwar hat man in Österreich mehr Intensivbetten als Italien (Österreich zählt laut OECD in Relation rund doppelt so viele Krankenhausbetten wie Italien und entsprechend mehr Intensivbetten), aber das Risiko eines möglichen Versorgungsengpasses erschien zu groß.

Während rund 80 Prozent der Covid-19-Patienten nur leichte bis mittelschwere Symptome haben und zu Hause in Quarantäne bleiben, trifft die Erkrankung ältere Menschen wesentlich schwerer. Das Durchschnittsalter der italienischen Todesfälle liegt bei etwa 80 Jahren. Bei rund 65 Prozent dieser Todesfälle gab es auch mehrere Vorerkrankungen. Aufgrund all dieser Informationen und der Zunahme an Infektionen in Österreich resultiert letztlich das Maßnahmenpaket der österreichischen Bundesregierung.

Schutz für ältere Menschen

Es geht, wie mehrfach betont, um den Schutz älterer Menschen, ab 60, 65 Jahren. Und dabei vor allem jener, die unter einer Vorerkrankung leiden: Dazu zählen unter anderem Lungen- und Herz-Kreislauferkrankungen, Diabetes sowie Erkrankungen der Leber und Niere sowie Krebserkrankungen. Auch für Menschen, deren Immunsystem unterdrückt wird – durch eine Erkrankung oder durch die Einnahme von Medikamenten – besteht ein höheres Risiko.

Mit dem Maßnahmenpaket will man eine Abschwächung der Epidemie erreichen – statt wie bisher eine Eingrenzung der Infektionen. Man weiß, dass das Coronavirus sich weiter ausbreiten wird. Deshalb erfolgte auch der Appell, soziale Kontakte für zumindest einige Wochen einzuschränken.

Medizinern warnen indes vor möglichen Schul-Schließungen: Kinder können ältere Menschen anstecken – gleichzeitig werden Kinder, wenn Schulen geschlossen werden, oft bei den Großeltern „abgegeben“. Hier raten Mediziner jetzt zur dringen Vorsicht.

Helfen wärmere Temperaturen?

Schwierig abzuschätzen ist, wie weit es eine Durchseuchung der Bevölkerung gibt. Also wie viele Menschen bereits an Covid-19 erkrankt sind, ohne schwere Symptome zu zeigen. Vor allem bei Jüngeren kennt man diesen Krankheitsverlauf. Ob die Abschottungsmaßnahmen ausreichen, wird sich erst zeigen.

Wie es mit dem Coronavirus weitergeht und ob wärmere Temperaturen im Frühling helfen, ist unklar. Heinz Burgmann, Infektiologe an der Med Uni Wien: „Wir sehen Ausbrüche in mehr als 100 Ländern in unterschiedlichen Klimazonen – ob die Temperatur einen großen Einfluss hat, wissen wir nicht.“ Tatsächlich seien Coronaviren nicht sehr resistent gegen Umwelteinflüsse, aber auch andere Faktoren für die Übertragung spielen mit. Etwa, dass wir in der warmen Jahreszeit weniger in geschlossenen Räumen seien, und dass die Immunabwehr besser funktioniere.

Der renommierte deutsche Virologe Christian Drosten warnt bereits jetzt in Interviews vor einer drohenden zweiten Coronawelle im Herbst, und dass man in Deutschland schon jetzt mit weiteren Maßnahmen reagieren müsse. Andere Mediziner raten dagegen „kühlen Kopf zu bewahren“.