In Italien wurden extreme Maßnahmen ergriffen, um die Virus-Verbreitung einzudämmen – aber ist das überhaupt noch möglich?

Heinz Burgmann:Die Chancen, dass wir die Weiterverbreitung wirklich stoppen können, sind mittlerweile sehr gering. Betroffene sind schon sehr früh infektiös, schon bevor sie überhaupt Symptome zeigen. Daher ist das Ziel jetzt, dass die Verbreitung möglichst verlangsamt wird! Wir müssen verhindern, dass sehr viele Menschen explosionsartig krank werden, denn das würde die Gesundheitseinrichtungen an den Rand des Machbaren drängen. Und genau dazu braucht es diese scheinbar extremen Maßnahmen: Das Virus wird sich weiter ausbreiten, aber wir müssen alles dafür tun, dass das langsam und kontrolliert geschieht.

Aus Italien erreichen uns auch erschreckende Zahlen: Mehr als 100 Tote an einem Tag wurden am Sonntag gemeldet. Wie gefährlich ist das Virus wirklich?

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Burgmann: Zunächst muss man sagen, dass auch in Italien der Großteil der Fälle mild, wie ein grippaler Infekt verläuft. Aus ersten Studien, auch aus China wissen wir, dass etwa 5 bis 6 Prozent der Betroffenen auf die Intensivstation müssen. Dort hängt es wiederum davon ab, wie viele Kapazitäten habe ich, wie gut können die Schwerkranken versorgt, beatmet werden? Hier scheint Italien große Probleme zu haben. Wir sehen aus unterschiedlichen Ländern sehr unterschiedliche Zahlen an Todesfällen, in Südkorea war die Sterblichkeit sehr gering, in Deutschland gibt es bei mehr als 1000 Erkrankten bisher erst einen Todesfall und der ereignete sich in Ägypten. An den Todesfällen in Italien sehen wir auch die Risikogruppen: Im Durchschnitt waren die Patienten, die verstorben sind, 80 Jahre alt und hatten bereits Vorerkrankungen.

Heinz Burgmann, Leiter der Klinischen Abteilung für Infektionen und Tropenmedizin der MedUni Wien
Heinz Burgmann, Leiter der Klinischen Abteilung für Infektionen und Tropenmedizin der MedUni Wien © KK

Woran sterben Patienten, die an Covid-19 erkranken?

Burgmann: Bei den schweren Verläufen kommt es meist zu einer Lungenentzündung, das passiert im späteren Verlauf der Infektion, rund um Tag 8. Dann werden diese Patienten schwer krank. Dadurch verschlechtert sich die Lungenfunktion immer weiter, die Menschen bekommen immer weniger Luft und sind auf die Beatmung angewiesen. Hat die Lunge vorher schon Schaden genommen, weil man Raucher ist, COPD hat oder an einer Herz-Kreislauferkrankung leidet, dann hat man natürlich weniger Reserven, wenn so eine Infektion dazu kommt.

Menschen, die schon genesen sind – sind diese immun gegen Sars-Cov2?

Burgmann: Wir haben gesehen, dass Erkrankte Antikörper bilden, meist ab Tag 6 – daher gehen wir davon aus, dass Menschen, die die Erkrankung überstanden haben, auch immun gegen das Virus sind. Wie lange dieser Schutz anhält – Monate oder Jahre – ist aber noch unklar. Aus diesen Antikörpern könnten in der Folge auch Immunglobuline gewonnen werden, mit denen wiederum schwer erkrankte Patienten behandelt werden können. Der Ansatz ist aber noch experimentell. Das wichtigste für schwer Erkrankte ist, dass sie die bestmögliche Pflege intensivmedizinische Pflege bekommen.

Coronaviren gelten als temperaturempfindlich: Kann der nahende Frühling mit den steigenden Temperaturen die Ausbreitung stoppen?

Burgmann: Wir sehen momentan Ausbrüche inmehr als 100 Ländern in sehr unterschiedlichen Klimazonen – ob die Temperatur wirklich einen großen Einfluss haben wird, wissen wir nicht. Tatsächlich sind Coronaviren aufgrund ihrer Gestalt nicht sehr resistent gegen Umwelteinflüsse, es könnte also passieren, dass das Virus bei warmen Temperaturen weniger zirkuliert. Es kommen aber auch andere Faktoren dazu: In der warmen Jahreszeit wird es leichter, Abstand zu halten, da wir uns weniger in geschlossenen Räumen oder Öffis aufhalten. Auch funktioniert unsere körpereigene Immunabwehr bei höheren Temperaturen besser, da die Schleimhäute besser durchblutet werden. Die Influenzawelle endet meist auch mit dem Beginn der wärmerne Jahreszeit – ob das für das neuartige Virus auch gilt, wissen wir noch nicht.

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