1. Rückenschmerz ist nicht gleich Rückenschmerz.
Bei jedem zweiten Patienten, der unter Schmerzen leidet, ist der Rücken das Problem: Das macht Rückenschmerzen zum Volksleiden Nummer 1. Wichtig ist zu unterscheiden: Nur eine kleine Gruppe von Patienten – etwa 15 Prozent – hat eine schwerwiegende anatomische, rein körperliche Ursache für den Schmerz. „Hier können ein Wirbelbruch, eine Entzündung, ein Bandscheiben-Problem, Nervenwurzelirritationen mit Lähmungserscheinungen, Abnützungserscheinungen oder ein Tumor dahinter- stecken“, sagt Waltraud Stromer, Vizepräsidentin der Österreichischen Schmerzgesellschaft. Diese Patienten müssen herausgefiltert und rasch versorgt werden. Die weit größere Gruppe der Rückenschmerz-Patienten leidet jedoch am sogenannten unspezifischen Rückenschmerz.
2. Auch die Psyche schlägt sich auf den Rücken.
Die große Gruppe der Patienten mit unspezifischem Rückenschmerz beschreibt Stromer so: „Das sind Patienten, die zwar auch ,biologische‘ Ursachen wie Verspannungen, Fehlstellungen, Übergewicht oder Bewegungsmangel haben, bei denen aber psychosoziale Faktoren oder Probleme am Arbeitsplatz den Schmerz verstärken und chronisch werden lassen.“ Zu diesen verstärkenden Faktoren zählen Stress, eine immer gleiche Haltung, zu langes Sitzen, Unzufriedenheit oder Mobbing am Arbeitsplatz bis hin zu Depressionen. Daraus könne ein Teufelskreis entstehen: Betroffene sind psychisch nicht gut drauf, ziehen sich zurück, bewegen sich weniger. Dann treten Schmerzen auf, die das psychische Unwohlsein weiter verstärken. Ein weiterer Faktor sind laut Stromer Ärzte, die falsch agieren: die den Fokus rein auf körperliche Ursachen richten, passive Therapiekonzepte fördern oder den Rat geben: „Legen Sie sich hin.“
3. Nicht jeder Patient braucht ein Röntgen.
„Auch ein falscher Einsatz der bildgebenden Verfahren kann dazu beitragen, dass der Rückenschmerz chronisch wird“, sagt Stromer. Es sei jedenfalls falsch, jeden Betroffenen zu röntgen oder zur MRT zu schicken – das sollte immer nur mit einer konkreten Fragestellung oder Vermutung passieren. „Denn: Mit bildgebenden Verfahren wird man bei jedem von uns eine Veränderung finden – sage ich das dem Patienten, fixiert dieser sich darauf.“
4. Es werden viel zu viele Operationen an der Wirbelsäule gemacht.
Eine aktuelle Studie aus Deutschland hat 3824 Patienten, die sich einer Wirbelsäulen-Operation unterziehen sollten, ein zweites Mal von unabhängigen Spezialisten untersucht. Es zeigte sich: Nur bei 7,7 Prozent der Patienten war die Operation tatsächlich notwendig! Der Rest konnte ohne Operation behandelt werden. Die Studienautoren rieten daher: immer eine Zweitmeinung einholen. Eine ähnliche Problematik sieht Stromer auch bei Infiltrationen: „Eine Infiltration sollte immer nur mit klarer Diagnose durchgeführt werden und zur dauerhaften Schmerzlinderung beitragen.“
5. Bewegung ist die wichtigste Therapie.
„Leider gibt es noch immer den Irrglauben: Mit Rückenschmerzen sollte man sich ins Bett legen“, sagt Stromer – dabei zähle beim unspezifischen Rückenschmerz: Bewegung, Bewegung, Bewegung (siehe auch nächste Seite). Die Vorsorge beginne dabei schon im Kindesalter: „Kinder müssen zur Bewegung erzogen werden, statt vor Bildschirmen zu sitzen.“
6. Therapie ist Teamarbeit.
Für die Behandlung des unspezifischen Rückenschmerzes wurden Qualitätsstandards etabliert (siehe Info), die festlegen, wann es welche Ansprechpartner braucht. „Für den chronischen Kreuzschmerz braucht es ein Team aus schmerzmedizinisch geschulten Ärzten, Physio- und Psychotherapeuten sowie die gute Aufklärung des Patienten“, sagt Stromer.