In der Wahrnehmung vieler bedeutet Meditation: Ich setze mich hin und denke an nix. Was steckt aber wirklich dahinter?

Susanne Baumgartner: Viele glauben, Meditation ist gleich Entspannung. Dieser Effekt soll in der Folge auch eintreten, aber zunächst ist Meditation gleich Konzentration. Das Ziel der Meditation ist: Wir beobachten unsere Gedanken, wie sie kommen, wie sie gehen. Wir steigen nicht in den Gedanken ein. Vielmehr treten wir in der Meditation einen Schritt zurück, beobachten und üben uns darin, nicht zu bewerten. Wenn wir zum Beispiel innere Unruhe verspüren, sind wir sofort beim Interpretieren: Bin ich nervös? Wovor habe ich Angst? Und schon bin ich im Gedankenkarussell drin. Bei der Meditation gehen wir so vor: Ich nehme dieses Gefühl wahr, aber bewerte es nicht und lasse es stehen.

Sie setzen Meditation als therapeutische Maßnahme ein: Was kann Meditation leisten?

Zu den Effekten der Meditation gibt es zahlreiche Studien: Durch regelmäßiges Meditieren wird die Ausschüttung der Stresshormone gehemmt – am Ende der Stresshormonkette steht Cortisol. Dieses Hormon ist neurotoxisch, das heißt, es hat im Gehirn sehr negative Auswirkungen, auf das Gedächtnis und auf andere Areale. Es wurde nachgewiesen, dass Meditation schon bestehende Zellschäden durch Cortisol wieder rückgängig machen konnte. Unsere Stresshormone wirken in der Folge auch auf unser Immunsystem. Im Immunsystem haben wir natürliche Killerzellen, die Krebszellen eliminieren oder Viren angreifen. Bei Dauerstress reduzieren sich diese Killerzellen im Blut, was auch erklärt, warum wir in einer Stressphase anfälliger für Infekte werden. Senken wir durchs Meditieren unsere Stresshormone, fördert das das Immunsystem.

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Susanne Baumgartner, Psychiaterin
Susanne Baumgartner, Psychiaterin © Promente

Kann man Meditation als Heilmittel gegen Stress bezeichnen?

Absolut. Wichtig ist aber: Meditation hört sich so leicht an, sie wirklich zu erlernen, ist eine andere Geschichte. Für maximal gestresste Menschen ist es eine große Herausforderung, plötzlich in die Ruhe zu gehen. Zunächst muss viel theoretischer Input geleistet werden, damit Menschen überhaupt in der Lage sind, länger sitzen zu bleiben und immer wieder diese Konzentration zu üben.

Welche Voraussetzungen braucht es dafür?

Geduld, Ausdauer und Regelmäßigkeit. Wichtig ist auch, dass man mit wenigen Minuten anfängt. Viele machen den Fehler, dass sie schon beim ersten Mal 20 Minuten meditieren wollen – das ist ein Ding der Unmöglichkeit! Mit Anfängern machen wir maximal fünf Minuten pro Tag. Die Krux ist unsere Konzentrationsfähigkeit: Wir haben permanent zig Gedanken gleichzeitig. Zu versuchen, das auf wenige zu reduzieren, ist anstrengend und kann am Anfang nicht lange gehalten werden.

Woher weiß ich, dass die Meditation funktioniert?

Wenn es mir gelingt, in diesem bewertungsfreien und gedankenreduzierten Zustand zu verweilen, bin ich auf dem richtigen Weg. Wir üben uns darin, nicht zu bewerten und stattdessen im Hier und Jetzt zu sein.

Lässt sich dieser Zustand aus der Meditation auch auf den Alltag übertragen?

Ja, durch Meditation bin ich nicht so gereizt, nicht so gestresst. Meditation wirkt antidepressiv, angstlösend und schlaffördernd.

Trotzdem wird Meditation als Therapie noch kaum angewandt: Woran liegt das?

Einerseits erleben wir einen generellen Boom der Achtsamkeit. Andererseits ist Meditation noch immer stark mit Spiritualität verknüpft, das Zugeständnis der Medizin, dass Meditation als Technik einen gesundheitsfördernden Aspekt hat, fehlt noch. Meditation kann natürlich keine Psychotherapie ersetzen, aber als Nebenwerkzeug, um Emotionen zu regulieren, ist Meditieren sehr hilfreich. Auch bei Angsterkrankungen oder Depressionen gibt es Einsatzpotenzial. Zunächst muss aber sichergestellt sein, dass Patienten schon bereit dafür sind.