Der Dezember kann einem schon auf den Keks gehen. Da helfen oft nur mehr Vanillekipferl. Ein süßer Vorgeschmack auf Weihnachten, wenn einem die viele Arbeit bis dahin sauer aufstößt. Es kann also nicht schaden, einmal mehr in die Keksdose zu greifen. Oder doch? Zucker ist schließlich ungesund und macht dick. Er lässt den Insulinspiegel steigen und das kann auf Dauer ebenfalls krank machen. Also heuer lieber auf Nussecken verzichten und stattdessen Walnüsse aus dem Nussknacker naschen?
Harald Sourij von der Klinischen Abteilung für Endokrinologie und Diabetologie am LKH-Klinikum Graz klärt auf: „Ein gewisser Zuckerspiegel im Blut ist notwendig, da er als Energiequelle zur Versorgung von diversen Organen dient. Dieser Zuckerspiegel wird einerseits durch die Zufuhr von Kohlenhydraten, zum Beispiel Kekse, andererseits durch die körpereigene Bildung von Glukose erreicht.“ Dass man sich nach etwas Süßem fühlt, als könnte man Christbäume ausreißen – voller Energie, ergibt also Sinn.
Nur – und das ist der Haken: Die Menge an Haushaltszucker sollte dabei möglichst gering gehalten werden. Er führt zu einem schnellen Anstieg des Blutzuckers und zu einem starken Insulinanstieg. Genau das will man nicht.
„Günstig ist die Zufuhr in Form komplexer Kohlenhydrate, die ballaststoffreich sind“, sagt Alexandra Kautzky-Willer, Stoffwechselexpertin der MedUni Wien. „Die findet man in Obst, Hülsenfrüchten, Gemüse und Vollkornprodukten.“ Und leider nicht in Linzer Augen.
Zu viel Zucker im Blut
Insulin ist ein lebenswichtiges Hormon, das den Fett- und Eiweißstoffwechsel sowie den Elektrolythaushalt und das Zellwachstum beeinflusst. Die meisten von uns kennen Insulin aber als Stoff, der unseren Blutzucker regelt. Er wird in der Bauchspeicheldrüse gebildet und immer dann ausgeschüttet, wenn wir gerade zu viel Glukose, also Zucker, im Blut haben, etwa nach einer Mahlzeit. „Insulin wirkt dabei wie der Schlüssel zum Schloss, das die Aufnahme von Glukose in die Zellen ermöglicht“, so Kautzky-Willer. Das heißt: Dank Insulin werden Zellwände durchlässig für Glukose, die Zellen können Glukose aufnehmen, sie in Energie umwandeln und ihre Arbeit verrichten.
Bei gesunden Menschen sperrt die Bauchspeicheldrüse wieder ab, wenn der Zuckerspiegel das richtige Niveau erreicht hat. Leidet man hingegen unter Diabetes, der Zuckerkrankheit – und das betrifft zwischen 650.000 und 800.000 Österreicher –, produziert der Körper zu wenig Insulin, der Zucker bleibt im Blut. Der Volksmund sagt dann, „man hat Zucker“.
Bei Diabetes unterscheidet man zwischen zwei Typen, bei beiden kommt es zu einem Insulinmangel.
Selbstzerstörung
Sourij: „Bei Diabetes mellitus Typ 1 beginnt der Körper durch noch immer nicht ganz klare Ursachen, die insulinproduzierenden Zellen in der Bauchspeicheldrüse selbst zu zerstören.“ Ohne Insulin steigen die Blutzuckerwerte. Müdigkeit, Durst, häufiger Harndrang, Infektionen, schlecht heilende Wunden und Gewichtsverlust können die Folgen sein. Durch regelmäßige Injektionen oder eine Insulinpumpe wird das Fehlen des Hormons ausgeglichen, ein Leben lang. Die Autoimmunkrankheit Typ 1 entsteht nämlich häufig bereits im Kindes- und Jugendalter – im Gegensatz zum Typ 2, der durch Bewegungsmangel und Übergewicht auftreten kann. Üblicherweise erst später im Leben, immer häufiger aber auch bei jüngeren Patienten.
Bei Typ 2 Diabetes spielt Insulinresistenz eine entscheidende Rolle. „Interessanterweise steht hier am Anfang ein schlechtes Ansprechen auf das körpereigene Insulin“, so Sourij. „Dadurch bildet der Körper vermehrt Insulin, um die gewünschte Wirkung doch noch zu erzielen – die Insulinspiegel sind deshalb anfänglich sogar erhöht.“ Schließlich führt die Überproduktion von Insulin aber zur Erschöpfung der produzierenden Zellen und die Produktion nimmt ab.
Gewicht reduzieren und Sport machen
Weil Typ 2 Diabetes durch einen ungesunden Lebensstil ausgelöst werden kann, können veränderte Gewohnheiten aber umgekehrt auch wieder zu einer Verbesserung beitragen. Eine Gewichtsreduktion und Sport optimieren den Zuckerstoffwechsel in vielen Fällen. Laut Kautzky-Willer könnte etwa die Hälfte der Patienten ihre Insulinsensitivität in einer frühen Erkrankungsphase so sehr steigern – durch eine niedrige Kalorienzufuhr über einen bestimmten Zeitraum –, dass ihre Blutzuckerwerte ohne Medikamente zumindest einige Jahre im Normbereich liegen würden.
Langfristig heilbar ist allerdings (noch) keine der beiden Formen. Und: Übertreiben darf man es mit der Insulinzugabe genauso wenig. Denn so wichtig das Hormon für unsere Gesundheit ist, es kann in einer zu großen Dosis ein echtes Risiko für sie darstellen. Schleust Insulin nämlich immer weiter Zucker aus dem Blut in die Zellen, kommt es zu einer Unterzuckerung, der sogenannten Hypoglykämie.
Das Gehirn bekommt dabei nicht mehr genug Energie, das führt zu Schwäche, Unkonzentriertheit und Zittern – sinkt der Blutzuckerspiegel weiter, sogar zu einem Koma. Deshalb nehmen es Diabetiker auch so genau mit dem Messen ihres Blutzuckerspiegels und der Dosierung von Insulin. Und auch wir wissen jetzt: Kipferl und Co. lieber in Maßen genießen.
Sabrina Luttenberger