1. Es macht den Eindruck: Schilddrüsenleiden werden immer häufiger. Stimmt das?
Laut Peter Lind, Vorstand der Abteilung für Nuklearmedizin und Endokrinologie am Klinikum Klagenfurt, haben sich die Schilddrüsenerkrankungen eindeutig verlagert: Waren früher die „Kröpfe“ - vergrößerte Schilddrüsen, medizinisch Struma - aufgrund des Jodmangels in unseren Breiten das Hauptproblem, sind heute Autoimmunerkrankungen, die zu Unter- bzw. Überfunktion der Schilddrüse führen, das große Thema. Die Zunahme dieser Erkrankungen, bei denen das körpereigene Immunsystem die Schilddrüse angreift, hängt laut Lind mit der erhöhten Jodversorgung zusammen. „Dadurch, dass das Speisesalz jodiert wird, sind die Kröpfe zurückgegangen, viele Operationen können dadurch verhindert werden. Gleichzeitig haben durch die höhere Jodaufnahme aber die Autoimmunerkrankungen zugenommen.“ Das sei aber insgesamt eine positive Entwicklung, denn: Operationen gehen mit nicht unerheblichen Nebenwirkungen einher, Autoimmunerkrankungen wiederum lassen sich gut behandeln.
2. Was passiert, wenn der eigene Körper die Schilddrüse angreift?
Bei den Autoimmunerkrankungen werden zwei wichtige Formen unterschieden: Einerseits die Hashimoto-Thyreoiditis, umgangssprachlich oft nur Hashimoto genannt, die zu einer Unterfunktion der Schilddrüse und damit zu einem Hormonmangel führt. „Es gibt aber viele Patienten, bei denen zwar Antikörper im Laborbefund auf Hashimoto hindeuten, die aber noch keine Symptome haben“, sagt Lind - eine Behandlung sei nur bei einer tatsächlichen Unterfunktion angezeigt. Andererseits gibt es den Morbus Basedow, bei dem es zu einer Überfunktion der Schilddrüse und dadurch einem Zuviel an Schilddrüsenhormonen im Körper kommt.
3. Was sind die Symptome einer Unter- oder Überfunktion?
Die typischen Symptome einer Unterfunktion sind: Müdigkeit, Antriebslosigkeit, Gewichtszunahme, depressive Verstimmung - „daher sollte bei psychischen Problemen auch immer an die Schilddrüse gedacht werden“, sagt Lind. Bei der Überfunktion verkehren sich die Symptome quasi ins Gegenteil: Betroffene verlieren sehr stark an Gewicht, haben verstärktes Herzklopfen und Atemnot, schlafen schlecht, sind nervös, schwitzen vermehrt, leiden an Durchfällen.
4. Wie erfolgt die Diagnose?
Der erste Schritt ist, dass der Wert des Schilddrüsenhormons TSH im Blut bestimmt wird. „Zeigen diese Laborwerte eine Abweichung, sollte ein Ultraschall der Schilddrüse gemacht werden“, sagt Lind. Auch Harald Dobnig, Facharzt für Endokrinologie und Stoffwechsel, unterstreicht, dass Schilddrüsenhormone nicht nur auf Basis von Laborwerten verschrieben werden sollten - Ultraschall und die Familiengeschichte des Patienten sollten auch berücksichtigt werden. Bei einer Überfunktion können auch weitere Untersuchungen wie die Szintigrafie notwendig sein, denn: Auch sogenannte heiße Knoten, die Hormone produzieren, können zu einer Überfunktion führen.
5. Wie gut können Schilddrüsenerkrankungen behandelt werden?
Während bei der Unterfunktion die Hormone von außen über Medikamente zugeführt werden müssen, versucht man bei der Überfunktion die Hormonproduktion zu hemmen. „Die Hashimoto-Thyreoiditis ist sehr gut behandelbar, auch wenn Patienten die Hormone das restliche Leben einnehmen müssen“, sagt Lind. Beim Morbus Basedow gehe man laut Lind so vor, dass die Medikamente, die die Hormonproduktion reduzieren, nach einiger Einnahmezeit wieder abgesetzt werden - ein großer Teil der Patienten habe dann keine Beschwerden mehr, da die Medikamente auch das Immunsystem regulieren.
6. Wen treffen Schilddrüsenerkrankungen am häufigsten?
Schilddrüsenprobleme scheinen ein klassisches Frauenleiden zu sein: Das Verhältnis bei den Erkrankungen zwischen Frauen und Männern beträgt 7 zu 1. Laut Dobnig ist die Schwangerschaft oft eine Zeit, in der sich Funktionsstörungen bemerkbar machen - die Schilddrüse muss mehr arbeiten, Störungen werden offensichtlich. Auch die Wechseljahre seien ein typischer Zeitpunkt dafür, dass Schilddrüsenprobleme auftauchen.