Das Ende der Zeitumstellung steht fest – nun wird darüber diskutiert, mit welcher Zeit wir danach dauerhaft weiterleben wollen. In Österreich tendierte die Politik zur dauerhaften Sommerzeit. Was sagen Sie dazu?
Maximilian Moser: Mit dieser Entscheidung würde uns die Politik vom Regen in die Traufe schicken: Statt des Zeitwechsels hätten wir dann die ständige Falsch-Zeit.

Bei der EU-weiten Umfrage stimmte auch die Mehrheit der Teilnehmer für eine dauerhafte Sommerzeit. Was wären die Konsequenzen einer ständigen Sommerzeit?

Das mussten die Russen bitter erfahren: In Russland wurde 2011 die ewige Sommerzeit eingeführt, drei Jahre später wurde auf dauernde Normalzeit umgestellt.

Warum?

Weil die Gesundheitsbeschwerden in der Bevölkerung groß waren, die Menschen sind nicht damit zurechtgekommen, dass sie im Winter bei völliger Dunkelheit aufstehen und die Sonne erst viel später aufgeht. Gerade für Kinder ist das ein Problem: Wir wissen, dass es für Kinder besser wäre, wenn die Schule später beginnt. Eine dauerhafte Umstellung zur Sommerzeit wäre für Kinder fatal. Daher sollten wir die astronomische Normalzeit, die fälschlicherweise Winterzeit genannt wird, beibehalten. Die Sommerzeit ist die verstellte Zeit, die Winterzeit entspricht der Normalzeit. So wie bisher kein Chronobiologe für eine Zeitumstellung war, ist auch kein Chronobiologe für dauerhafte Sommerzeit.

Warum passt diese Zeit so gut zu uns?

Um 12 Uhr mittags sollte die Sonne im Zenit stehen – das ist momentan, durch die Zeitumstellung, nur im Winter der Fall. Zu Mitternacht steht die Sonne am tiefsten Punkt – das ist die Symmetrie unseres zeitlichen Erlebens. Wenn wir das asymmetrisch machen, wird den Menschen ein Stück weit die Verbindung zur Natur genommen – doch diese Verbindung ist so wichtig. Wir sind evolutionär mit der Natur groß geworden.

Chronobiologisch betrachtet: Welche Nebenwirkung kann eine solch ver-rückte Zeit haben?

Ein Aspekt ist, dass unsere Wahrnehmung verschoben wird. Ist der Schatten zu Mittag nicht am kleinsten, ergibt das eine Differenz zwischen unserer Wahrnehmung und der Uhrzeit. Das ist wahrnehmungspsychologisch ungünstig. Es gibt aber auch eine körperliche Komponente: Wenn die Nacht am dunkelsten ist, arbeitet das Immunsystem besonders intensiv, die Zellvermehrung ist am aktivsten. Auch Vorgänge, die unseren Stoffwechsel betreffen, finden in den dunkelsten Stunden statt. Durch eine ,verstellte‘ Zeit gibt es auch hier eine Diskrepanz: Zwar beträgt sie nur eine Stunde, aber warum sollten wir die falsche Zeit nehmen, wenn wir die echte haben können?

Es wurde auch thematisiert, dass die EU-Befragung zur Zeitumstellung im Sommer begonnen wurde, die Menschen daher an die lange Helligkeit am Abend dachten und nicht an die lange Dunkelheit an Wintermorgen.

Ja, es erweckt den Eindruck, als hätte man die Menschen gerne in eine bestimmte Richtung beeinflusst. Es gibt aber noch weitere gesundheitliche Komponenten: Die Menschen schlafen ja heute schon zu wenig. Das Schlaf-Soll beträgt 7,5 bis 8 Stunden. Die meisten Menschen schlafen heute aber nur 6 bis 7 Stunden. Durch eine dauerhafte Sommerzeit würde sich der Schlafmangel noch weiter verstärken – wieder ein Problem, das vor allem Kinder trifft. Kinder benötigen den Schlaf besonders, da sie in der Entwicklung sind: Ihr Gehirn wird aufgebaut, Synapsen werden gebildet. Nimmt man Kindern den Schlaf weg, geht das auf Kosten ihrer Gesundheit. Wir haben es selbst untersucht: Verlegt man den Schulbeginn von 7.45 Uhr auf 8.30 Uhr, schlafen Kinder deutlich länger. Die Konsequenz: Schüler sind ruhiger und aufmerksamer.

Maximilian Moser, Chronobiologe
Maximilian Moser, Chronobiologe © ORF

Der Münchner Schlafforscher Till Roenneberg prognostizierte: „Wenn die dauerhafte Sommerzeit kommt, werden wir dicker, dümmer und grantiger.“ Wie lässt sich das erklären?

Wenn wir permanente Sommerzeit einführen, müssen wir eine Stunde früher aufstehen – wir würden aber nicht früher ins Bett gehen, weil es draußen ja noch hell ist. Im Winter wäre es noch schlimmer, weil wir dort zu einer Zeit geweckt werden, wo noch gar kein Weckreiz vorhanden ist. Wir bemerken ja schon jetzt: Zu Beginn und am Ende der Sommerzeit ist es in der Früh noch relativ dunkel. Roenneberg argumentiert ja auch so: Durch dauerhafte Sommerzeit würden wir an deutlich mehr Tagen im Dunkeln aufstehen, längere Helligkeit am Abend würde dazu führen, dass wir später ins Bett gehen – und der Schlafmangel werde verstärkt.

Wie natürlich ist unser Schlaf-wach-Rhythmus überhaupt noch?

Durch das elektrische Licht gehen wir sowieso alle zu spät schlafen: Das künstliche blaue Licht unterdrückt das Schlafhormon Melatonin. Wird Melatonin unterdrückt, schlafen wir zu spät ein – dieser Effekt würde durch eine ständige Sommerzeit weiter verstärkt werden.

Chronobiologen sind dafür, dass die dauerhafte Normalzeit eingeführt wird. Werden Sie oder andere Experten eigentlich in diese Entscheidung einbezogen?

Interessanterweise nicht. Es gibt ja nicht so viele Chronobiologen. Mir ist keiner bekannt, der von der Politik nach seiner Expertise gefragt worden wäre.