Es ist eine Wissenschaftsmeldung, die nach Science-Fiction klingt: Forschern in Kalifornien sei es erstmals gelungen, das Altern rückgängig zu machen – sie hätten an der biologischen Uhr gedreht und die Testpersonen innerhalb eines Jahres im Durchschnitt um 2,5 Jahre verjüngt. Gebraucht hätten sie dazu einen Cocktail aus drei Medikamenten, den die gesunden Versuchspersonen einnahmen. Kann das wirklich wahr sein – und müssen wir nun das Ende des Alterns ausrufen?
„Der Effekt, den wir in dieser Studie sehen, ist wirklich sehr beeindruckend, bei aller Vorsicht, die wir walten lassen müssen“, kommentiert Helena Schmidt. Die genetische Epidemiologin forscht an der Med Uni Graz zum Thema Altern und leitet die große Grazer Studie zu Gesundheit und Altern.
Steht eine Revolution bevor?
Möglich gemacht hat das ein anderer wissenschaftlicher Durchbruch: Der Biomathematiker Steve Horvath hat mit seiner epigenetischen Uhr eine Messtechnik entwickelt, die es möglich macht, das biologische Alter eines Menschen so akkurat wie noch nie zu messen. Und zwar nicht nur in einzelnen Geweben, sondern für den ganzen Menschen. „Diese Uhr tickt wirklich sehr präzise“, unterstreicht Schmidt. Dieses Messwerkzeug ist ein Algorithmus, der das biologische Alter an bestimmten Stellen in unserem Genom abliest.
Mit diesem mächtigen Werkzeug war es nun erstmals möglich, zu untersuchen, ob Medikamente, von denen man glaubt, dass sie Effekte auf das Altern haben, auch wirklich wirken. Und laut Studienergebnissen kann der Cocktail aus einem Wachstumshormon, das den Thymus, einen zentralen Bestandteil des Immunsystems, regenerieren kann, und zwei bekannten Diabetesmedikamenten genau das leisten. Nun wartet die Forschung gespannt auf weitere Erkenntnisse, um diese Studie zu bestätigen – tritt das ein, könnte eine Revolution bevorstehen. Denn das, woran wir sterben, ist zumindest hierzulande „zu 90 Prozent das Altern“, sagt Schmidt.
Was passiert beim Altern?
Schaden nehmen wir das ganze Leben lang: Durch äußere Einflüsse (wie UV-Licht) oder unser Verhalten (Rauchen, ungesunde Ernährung) gehen Zellen zugrunde. Die Schäden müssen repariert werden, und solange das System von Schaden und Reparatur funktioniert, herrscht ein Gleichgewicht.
„Irgendwann ist die Balance aber erschöpft“, sagt Schmidt – dann beginnt das Altern. Vom Slogan „Healthy Aging“ – also gesundes Altern – hält Schmidt nichts, denn sie sagt: „Altern ist nie gesund.“ Schließlich bedeute Altern per definitionem, dass Organsysteme in unserem Körper versagen. Typische Alterserkrankungen wie Demenz, Krebs oder Herz-Kreislauf-Leiden seien die Folge – das schwächste Organ, jenes, das zuerst aufgibt, entscheidet, woran wir in der Folge sterben. „Wenn wir diese Erkrankungen verhindern wollen, müssen wir in den Alterungsprozess eingreifen“, sagt Schmidt – nur auf diesem Wege lassen sich all die Erkrankungen auf einen Schlag bekämpfen.
Und die Mittel dafür?
Sind zum Beispiel Wirkstoffe, die einen Prozess im Körper anregen, den auch das Fasten auslöst: die Autophagie. Dahinter steckt ein Selbstreinigungsprogramm der Zellen, das eben auch dann aktiviert wird, wenn der Körper wenig Kalorien bekommt. Darüber hinaus kann jeder selbst mit einfachen Mitteln viel tun: „Wir wissen, dass Bewegung und das Vermeiden von Übergewicht das Altern verlangsamen“, sagt Schmidt.
Wenn wir eines Tages nicht mehr altern – woran sterben wir dann? „Es ist fraglich, ob wir wirklich sterben müssen“, sagt Schmidt. Das erste Ziel sei jedenfalls, die gesunde Lebensspanne zu verlängern. „Es ist möglich“, sagt Schmidt, „dass wir das Altern eines Tages abschaffen. Aber das würde die ganze Gesellschaft, das würde alles verändern.“