Im Jahr 2018 sorgte eine Untersuchung aus Österreich für Aufsehen. Forscher von Umweltbundesamt und Med Uni Wien hatten von acht Menschen aus acht verschiedenen Ländern Stuhlproben eingesammelt und analysiert. Das Ergebnis: In jeder Stuhlprobe wurde Mikroplastik gefunden. Es war egal, ob in Finnland, Japan, Russland, Polen oder Österreich: Dem Mikroplastik entkommt man anscheinend nicht.

Doch wo kommen die winzigen Plastikteilchen her und was können sie mit der Gesundheit anrichten? Auf einige dieser Fragen gibt es Antworten, jedoch: Die Wissenschaft weiß noch wenig über tatsächliche Langzeitfolgen unseres Mikroplastik-Konsums.

1. Was ist Mikroplastik?

Mikroplastik definiert sich rein über die Größe der Teilchen: „Mit Mikroplastik meinen wir Teilchen, die kleiner als 5 Millimeter sind“, sagt Hans-Peter Hutter, Umweltmediziner an der Med Uni Wien. Somit ergibt sich eine riesige Gruppe von Teilchen, die teilweise mit dem Auge noch gut zu erkennen, teilweise aber Mikrometer klein sind. Und je nach Größe, Form und Zusammensetzung ergibt sich auch das Gefahrenpotenzial, das von den Partikeln ausgeht.

2. Wo kommt das Mikroplastik her?

Die Quellen, aus denen Mikroplastik in die Umwelt gelangt, sind mannigfaltig. Das Plastiksackerl, das irgendwo verrottet, die Gartenmöbel, von denen sich Partikel abreiben, Plastikteile in Autos, Baustoffe, Folieneinsatz in der Landwirtschaft, der Abrieb von Autoreifen, Kunststoffpartikel aus der Kleidung, die beim Waschgang entweichen: Das sind nur einige der Quellen, die Kienzl aufzählt. „Pro Waschgang gelangen bis zu 4000 Kunststofffasern in das Abwasser“, sagt der Experte.

Primäres Mikroplastik, zum Beispiel aus Duschgel oder Zahnpasta, gelangt meist direkt nach der Anwendung in die Kanalisation. Im Vergleich zum sekundären Mikroplastik stellen diese Partikel einen relativ kleinen Anteil am Mikroplastik-Vorkommen dar, aber: „Da diese Partikel absichtlich erzeugt werden, sind sie auch am einfachsten zu vermeiden“, sagt Umweltmediziner Hutter.

In Europa werden jedes Jahr etwa 57 Millionen Kunststoffe produziert, beinahe die Hälfte davon (40 Prozent) wird als Verpackungsmaterial verwendet. Es folgen das Bauwesen (20 Prozent) und die Automobilbranche (9 Prozent) – der Rest entfällt auf Konsum-, Haushalts-, Sportartikel, Möbel sowie Produkte für Gesundheit und Sicherheit.

„Der Kunststoffabfall besteht zu 60 Prozent aus Verpackungen“, sagt Kienzl – daher sei das der springende Punkt: Es gilt, Plastikverpackungen zu vermeiden. Selbst in Österreich, wo es ein gut funktionierendes Abfallwesen gibt, gelangt Plastikmüll über achtloses wegwerfen (sogenanntes „Littering“) in die Umwelt. Kienzl zeigt auf, dass dazu auch Zigarettenstummel zählen: „Der Filter einer Zigarette besteht aus Kunststoff, er gehört daher weder einfach achtlos weggeworfen, noch in den Kanal, sondern in den Restmüll.“

Gib Gummi? Auch wenn das Material aus der Autoreifen landläufig als Gummi bezeichnet wird, bestehen Reifen aus Kunststoffen, die den Elastomeren zugerechnet werden. Die Experten vom Umweltbundesamt haben eine Menge an Reifenabrieb von 6.766 Tonnen pro Jahr in Österreich berechnet. Diese Teilchen gelangen über die Atemwege in den menschlichen Körper, wie Experten des Umweltbundesamt aufzeigen.

3. Wie gelangt Mikroplastik in den Körper?

Am Ende landet alles im Meer: Dieser Grundsatz gilt laut Umweltmediziner Hutter auch für Mikroplastik – und über das Meer kommt Mikroplastik in unsere Nahrungskette. „Innerhalb der Nahrungskette im Meer akkumuliert sich das Mikroplastik auch noch“, sagt Hutter – vom Plankton bis zur Endstation Raubfisch sammelt sich so Mikroplastik an. Auf viel schnellerem Weg kann Mikroplastik direkt aus Körperpflegeprodukten in den Körper gelangen – wenn zum Beispiel Zahnpasta verschluckt wird, die Mikroplastik für weißere Zähne enthält.

Aber auch über die Atemluft – Stichwort Feinstaub – können die winzigen Teilchen in den Körper gelangen, dort hänge es von der Größe der Teilchen ab, wie tief die Partikel in die Lunge eindringen. Mikroplastik-Partikel, die kleiner als 10 Mikrometer sind, gelangen über die Atemwege in das Bronchialsystem, Partikel kleiner als 2,5 Mikrometer gelangen sogar bin in die Lungenbläschen (Alveolen), beschreiben Experten vom Umweltbundesamt.

Damit Partikel aus der Nahrung tatsächlich in den Körper eindringen, sich in Organen oder gar Zellen anlagern, müssen sie laut Umweltbundesamt kleiner als 1 Mikrometer sein – es muss sich also um Nanopartikel handeln. Alles, was größer als 5 Mikrometer ist, wird sehr wahrscheinlich wieder über den Magen-Darm-Trakt ausgeschieden.

4. Welchen Schaden richtet Mikroplastik im Körper an?

Hinter dieser Frage steht in der Forschung noch ein großes Fragezeichen: „Genaues Wissen gibt es nicht, wir haben noch viel zu wenig Untersuchungen dazu“, sagt Umweltmediziner Hutter. Was aber bekannt ist, sind die Wege, auf denen Mikroplastik potenziell schädlich ist.

  • Zunächst werden Plastik eine Vielzahl von Stoffen zugesetzt, um dem Plastik bestimmte Fähigkeiten zu verleihen: Zu diesen sogenannten Additiven zählen zum Beispiel Weichmacher, Flammschutzmittel, Farbstoffe oder UV-Stabilisatoren. Diese Stoffe sind natürlich auch im Mikroplastik enthalten und gelangen so in den Körper, wo sie eine Wirkung haben, wie Umweltmediziner Hutter aufzeigt: „So können Weichmacher hormon-aktiv sein, Flammschutzmittel wirken toxisch auf das Nervensystem.“
  • Mikroplastik kann aber auch als „Transporter“ für andere Schadstoffe dienen: An die Oberfläche der abgeriebenen Teilchen können sich organische Schadstoffe oder Schwermetalle anlagern und quasi auf dem Rücken von Mikroplastik in den menschlichen Körper gelangen.
  • Und schließlich können die kleinen Teilchen selbst schädlich wirken: Mikroplastik kann als Fremdkörper zu Entzündungen im Organismus führen. Gezeigt wurde das erst in Experimenten mit Muscheln, aber Umweltmediziner Hutter sieht im Mikroplastik jedenfalls Gefährdungspotenzial: „Die Teilchen sind sehr klein, wir wissen noch nicht ausreichend, welche Barrieren sie überschreiten können und wie sie auf die Zellfunktion wirken.“

Daher sollte laut Hutter alles dafür getan werden, um Ökosysteme vor Mikroplastik zu schützen und unserer „Kunststoffwelt“ einen Riegel vorzuschieben.

5. Was kann ich tun, um Mikroplastik zu vermeiden?

„Plastikverpackungen sind der springende Punkt“, sagt Kienzl vom Umweltbundesamt. Es gelte:

  • Plastik so gut es geht vermeiden,
  • Plastikprodukte wiederverwenden,
  • Produkte wenn möglich reparieren,
  • wenn nichts mehr geht, recyclen und
  • richtig entsorgen!

Hutter zeigt auch auf: „wir haben die Wahl, Kosmetika mit Mikroplastik nicht zu kaufen.“ Dem Mikroplastik zu entkommen sei so gut wie unmöglich – doch über die eigene Plastikvermeidung könne man sich indirekt vor Mikroplastik schützen. „Trotzdem ist auch die Politik in der Pflicht, ein Regelwerk aufzustellen“, sagt Kienzl.