Am 8. Juni geht der allerletzte Life-Ball über die Bühne: Die heurige Aufklärungskampagne stand unter dem Motto "U=U", was übersetzt so viel bedeutet wie: nicht nachweisbar = nicht ansteckend. Doch was bedeutet das und wie sieht das Leben von HIV-Betroffenen heute aus?
Die Studie, die alles veränderte wurde vor wenigen Wochen vorgestellt. Ein „Meilenstein“, eine „bahnbrechende Studie“, „fantastische Ergebnisse“: Die Superlative überschlugen sich rund um eine HIV-Untersuchung, die den unscheinbaren Titel „Partner-2-Studie“ trägt.
Die Kernaussage: Menschen, die HIV-positiv sind und mit der antiretroviralen Therapie behandelt werden, können niemanden mehr anstecken - auch nicht, wenn sie ungeschützten Geschlechtsverkehr haben.
Die Schlussfolgerung daraus: Wenn jeder HIV-Infizierte weltweit die Therapie bekommen würde, gebe es keine weitere Übertragung des Virus. In der Studie wurden 1000 homosexuelle Paare untersucht, von denen ein Partner HIV-positiv war: Es gab im Zeitraum von acht Jahren keine einzige Ansteckung zwischen den Paaren.
1. Was macht diese Studie so bedeutsam?
„Es ist nun eindeutig bewiesen, dass Menschen, die HIV-positiv sind und die Therapie richtig einnehmen, nicht mehr ansteckend sind“, erklärt Bernhard Haas, Infektionsspezialist der Kages/Institut für Krankenhaushygiene und Mikrobiologie und Med Uni Graz. Die Aussage ist eindeutig: Das Ansteckungsrisiko ist null. Die Vorgängerstudie hatte das schon für heterosexuelle Paare gezeigt, bei denen ein Partner HIV-positiv war und wo es trotz Sex ohne Kondom zu keiner Ansteckung kam.
2. Wann ist ein Mensch mit HIV nicht mehr ansteckend?
Die Übertragung ist nur davon abhängig, wie hoch die Viruslast im Blut eines HIV-positiven Menschen ist - „der Partnerschaftsstatus ist dem Virus egal“, sagt Haas. Um nicht mehr ansteckend zu sein, muss die Viruslast weniger als 200 Viruskopien pro Milliliter Blut ausmachen: Dann gilt der Betroffene als nicht mehr ansteckend. Unter einer gut wirksamen Therapie werden jedoch weniger als 20 Viruskopien pro Milliliter Blutals Therapieziel angestrebt.
3. Was bedeutet die Studie für Menschen mit HIV?
Laut Haas ist die Hauptaussage der Studie: Menschen mit HIV können durch die Therapie ein annähernd normales Leben mit annähernd normaler Gesundheit führen - und sie können auch eine erfüllende Sexualität leben. „Mit der Ansteckungsgefahr ging ja bisher ein großes Stigma einher, nun haben wir die Chance, dieses Stigma aufzubrechen“, sagt Haas. Weiters gilt auch für Frauen, die HIV-positiv sind und ein Kind bekommen wollen: Sind sie gut therapiert, besteht für das Kind im Normalfall keine Gefahr. „Ein Problem haben wir aber, wenn die HIV-Infektion nicht erkannt wird oder Mütter sich erst in der Schwangerschaft anstecken“, sagt Haas.
4. Wie sicher ist die HIV-Therapie?
„Die Studienergebnisse unterstreichen, wie wichtig es ist, dass Menschen mit HIV ihre Therapie ohne Hürden bekommen können und die Therapie auch kontinuierlich einnehmen“, sagt Haas. Dafür müssen die Medikamentedauerhaft und unverändert verfügbar sein, außerdem sind ausreichend Betreuungszentren für Patienten notwendig. „Es braucht intensiven Kontakt zwischen Arzt und Patient, damit die Therapie richtig eingenommen wird.“ Für die Mehrheit der Patienten in Österreich sieht die Therapie so aus: Sie nehmen eine Kombinationstablette einmal pro Tag ein. „Mit der Therapie haben HIV-Patienten eine annähernd normale Lebenserwartung“, sagt Haas. Ein weiteres Problem: Werden weitere Medikamente oder Mittelchen eingenommen, kann es sein, dass die Wirkung der antiretroviralen Therapie eingeschränkt wird. Diese Gefahr besteht nicht nur bei rezeptpflichtigen Medikamenten, sondern auch bei Vitaminpillen oder pflanzlichen Präparaten.
5. Besteht die Sorge, dass nun weniger auf Safer Sex geachtet wird?
„Ja, diese Sorge gibt es“, sagt Haas - aber die zentrale Botschaft sollte sein: Jeder HIV-Infizierte muss die Therapie bekommen, denn dann ist er oder sie nicht mehr ansteckend: „Wir können das Virus nicht ausrotten, aber wir können die Pandemie beenden - durch diese Therapie. Wir können es schaffen, dass es nur noch einzelne Fälle von Ansteckungen gibt“, sagt Haas. Dazu muss aber auch die Diagnose möglichst früh gestellt werden: „Hier hat Österreich noch Aufholbedarf.“