Seinen Erweckungsmoment erlebte Erik Gatenholm im Labor seines Vaters, eines Chemieprofessors. „Er zeigte mir einen 3D-Drucker, ein monströses Gerät, und sagte: ,Dieses Ding wird einmal Organe drucken.' Da wusste ich, daran will ich arbeiten.“ Es ist erst drei Jahre her, dass der junge Schwede - 29 Jahre alt - sein Unternehmen Cellinkgründete.
Heute stehen die 3D-Drucksysteme der Firma in 600 Laboren in 50 Ländern der Welt. Gatenholms Ziel ist kein geringeres als: „die Welt der Medizin zu verändern“.
Herr Gatenholm, wie wollen Sie dieses Ziel erreichen?
Erik Gatenholm: Die Medizin hat sich in den letzten hundert Jahren bereits fundamental verbessert, aber: Es gibt noch immer Lücken - die eine Lücke, die wir schließen wollen, ist der Mangel an Spenderorganen. Wir haben eine Technologie entwickelt, die es Wissenschaftlern ermöglicht, menschliche Zellen und Gewebe auszudrucken, mit einem 3D-Drucker. Meine Mission war es, diese Drucksysteme so benutzerfreundlich zu machen, dass jedes Labor damit arbeiten kann.
Zentraler Baustein der Drucksysteme ist die Bio-Tinte: Woraus besteht Tinte, die menschliches Gewebe druckt?
Die Tinte ist das Medium, in das man die menschlichen Zellen einbringt. Wenn wir uns menschliches Gewebe anschauen, sehen wir, dass es zum Großteil aus Kollagen besteht. Darin eingebettet sind die Zellen. Was wir tun: Wir erzeugen dieses Kollagenbett, damit sich die menschlichen Zellen zu Hause fühlen. Die Bio-Tinte ist die Mikroumgebung für die Zellen, und der Printer erzeugt die Makroumgebung, die Struktur, die wir wollen.
Das Ziel ist es, menschliche Organe zu drucken. Wie nah sind wir diesem Ziel schon?
Ich denke, in 10 bis 15 Jahren werden wir Gewebe drucken können, das dann Menschen implantiert werden kann. Die große Frage ist, wie schnell wir die Technologie sicher auf den Markt bringen können - Produkte, die direkt am Patienten angewendet werden, müssen ja zunächst von Behörden zugelassen werden.
Wozu werden Ihre Drucksysteme im Moment verwendet?
Im Moment vor allem dazu, neue Medikamente zu entwickeln. Nehmen wir an, eine Pharmafirma will ein neues Mittel gegen Herzrhythmusstörungen entwickeln - durch Bio-Printing können diese Firmen menschliches Gewebe drucken und daran ihre Medikamente schon sehr früh in der Entwicklung testen, um zu sehen: Wirken sie überhaupt? Denn momentan versagen 8 von 9 Medikamenten, wenn sie an Menschen getestet werden.
Was ist das Schwierigste daran, ein Organ zu drucken?
Es dreht sich alles um das Gefäßsystem: Blutgefäße sind unerlässlich, um das Gewebe mit Sauerstoff und Nährstoffen zu versorgen. Wenn es das nicht gibt, stirbt das Gewebe ab. Was wir heute machen, ist: Wir drucken Gewebe, wie ein Ohr oder eine Nase, mit einer hohen Durchlässigkeit. Nährstoffe können durch die Oberfläche des Gewebes aufgenommen werden. Aber so funktioniert ein Organ nicht! Um wirklich ein Organ zu erzeugen, müssen wir es mit Gefäßen ausstatten.
Für großes Aufsehen sorgten das erste Mini-Herz aus dem 3D-Drucker sowie die erste Lunge.
Diese Lunge wurde mit unserer Technologie hergestellt. Und dabei ist es auch schon gelungen, das Organ mit einem Gefäßsystem zu verbinden. Das ist so faszinierend!
Was wird das erste funktionstüchtige Organ sein, das aus einem 3D-Drucker kommt?
Ich denke, das wird Knorpelgewebe und Haut sein, weil das Strukturen sind, die relativ einfach aufgebaut sind. Und bei inneren Organen arbeiten viele Forscher an Nieren.
Forscher hier in Wien gehen einen anderen Weg und lassen Organstrukturen im Labor wachsen. Sehen Sie hier eine Konkurrenz?
Nein, wenn wir auf halber Strecke erkennen, unser Ansatz funktioniert besser, wenn wir ihn mit anderen Methoden kombinieren, dann müssen wir das tun - wir müssen alles tun, um die Technologie dorthin zu bringen, wo sie Leben rettet.