Die Ärztekammer hat in einer bis dato einzigartigen Studie unter ihren Mitgliederinnen gefragt, wie es Frauen in der Medizin eigentlich geht – das Ergebnis fasst Petra Preiss, Initiatorin und Ärztekammerpräsidentin in Kärnten so zusammen: "50 Prozent der Ärzte sind Frauen und wir müssen als Gesellschaft dafür sorgen, dass sie ihren Beruf ausüben können, ohne dass sie dabei zerrieben werden."
Das größte Thema für Ärztinnen sind laut der Umfrage, an der 2500 Ärztinnen teilnahmen, fehlende Kinderbetreuung und mangelnde Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Nun sind diese Probleme in vielen anderen Berufsfeldern ebenfalls präsent – für Ärztinnen wiege das Thema aber besonders schwer, sagt Preiss im Gespräch mit der Kleinen Zeitung: "Der Arztberuf ist sehr zeitintensiv, viele Bereiche der Medizin lassen sich nicht mit Teilzeit vereinbaren." Dazu kommen Nacht-, Wochenend- und Bereitschaftsdienste, sowohl im Krankenhaus wie auch im niedergelassenen Bereich.
Kinderbetreuung ist Sache der Frauen
Die Umfrage zeigte einmal mehr: Kinderbetreuung ist Sache der Frauen, 67 Prozent der Befragten gaben an, dass sie den Großteil dieser Aufgabe geleistet haben. Preiss sieht hier die Krankenhausträger und Kommunen in der Pflicht, adäquate Kinderbetreuung anzubieten – "adäquat heißt: Ich muss mein Kind vor 7 Uhr morgens abgeben können, denn dann beginnt der Dienst auf der Station." Wie es gehen kann, zeigt die Med Uni Innsbruck vor: Durch den Einsatz von Margarethe Hochleitner, Professorin für Gender Medizin und Leiterin der Koordinationsstelle für Gleichstellung, gibt es in Innsbruck ein eigenes Büro, das Kinderbetreuung vermittelt.
Doch Ärztinnen arbeiten nicht nur im Spital: Im niedergelassenen Bereich stellen in der Allgemeinmedizin Frauen die Mehrheit der Behandler. "Eine Frau in der Kassenpraxis, die ein Kind bekommen will, hat kein Auffangnetz", sagt Preiss. Sie müsse sich selbst um eine Vertretung bemühen – "die sie am Land kaum finden wird." Das spiegelte sich auch in der Befragung wider: Nur 16 Prozent der jungen Ärztinnen, die gerne in den niedergelassenen Bereich wechseln wollen, möchten eine Kassenstelle – Wahlarztstellen sind weitaus beliebter.
Ärztemangel wird weiter verstärkt
Hier zeige sich auch, warum diese Probleme nicht nur Ärztinnen angehen, sondern die ganze Gesellschaft: "Wenn ich immer mehr Frauen habe, die die Ausbildung zur Allgemeinmedizinerin machen, aber immer weniger davon sind bereit, zu den momentanen Bedingungen Hausärztin zu sein, wird sich das Problem des Ärztemangels weiter verstärken", sagt Preiss. Auch Hochleitner sagt: "Es geht hier nicht nur um die Rechte von Frauen, es geht um das Gesundheitssystem." Bei den Studienanfängern sind Frauen bereits in der Überzahl, die Medizin wird immer weiblicher – "daher braucht es Arbeitsbedingungen, die Ärztinnen entgegenkommen" – sonst breche das System zusammen.
Was gerade Frauen am Hausarztsein abschrecke, sei das Einzelkämpfertum: "Für Frauen sind Möglichkeiten zusammenzuarbeiten, sicher besonders attraktiv", sagt Preiss – Gruppenpraxen oder Primärversorgungseinrichtungen könnten Ärztinnen daher zugutekommen.
Dass Petra Preiss bei neun Bundesländern die einzige Kammerpräsidentin ist, spiegelt auch einen anderen Trend wider: Die Medizin wird zwar weiblich, die Führungsebene ist es aber noch lange nicht.