"Hier.“ Wenn Claudia Altmann-Pospischek den Ausschnitt ihrer Bluse etwas nach unten zieht, sieht man die kleine Operationsnarbe auf ihrer Brust. Sie ist nur ein, zwei Zentimeter lang und doch steht sie für alles, was seit dem 5. Juli 2013 nicht mehr so ist, wie es war. Dieser Tag ist eine Zäsur: Der Tag, an dem sie erfuhr, dass sie eine der rund 5500 Frauen in Österreich ist, die jedes Jahr an Brustkrebs erkranken.
An diesem Tag „brach natürlich eine Welt zusammen, ich hatte das Gefühl, in unglaubliche Tiefen abzustürzen“, erinnert sich die Niederösterreicherin.
Doch sie fand schnell ein positives Beispiel, an dem sie sich aufrichten konnte – sie hatte eine Nachbarin, die ebenfalls jung erkrankt war und den Krebs besiegt hatte. „Wenn sie das geschafft hat, schaffe ich es auch“, sagte sich Altmann-Pospischek damals. Das war, bevor sie wusste, dass es die Möglichkeit des Gesundwerdens für sie nicht mehr gibt.
Schlechte Nachrichten
Das kleine Knötchen, das Altmann-Pospischek selbst in ihrer Brust ertastet hatte, wurde entfernt. Der Tumor war klein, die Lymphknoten in den Achseln krebsfrei. „Es sah sehr gut aus“, erinnert sich Altmann-Pospischek. Nach einem abschließenden Körper-Scan sollte sie erfahren, welche Therapie sie brauchen würde. „Damals dachte ich, das Schlimmste, was passieren kann, ist, dass ich eine Chemo brauche“, sagt die heute 43-Jährige.
Dann eröffnete die Ärztin Altmann-Pospischek und ihrem Mann Peter – „mein Fels in der Brandung“ –, dass sie schlechte Nachrichten habe. Der Scan hatte gezeigt, dass es schon große Tumore in der Leber gab, kleine an den Knochen. Der Krebs hatte gestreut, Metastasen gebildet – und Altmann-Pospischek verstand schnell, was das bedeutete: „Das schaffe ich nicht mehr, ich werde nicht mehr gesund.“
Damit war Altmann-Pospischek eine der wenigen Patientinnen, deren Krebs in einem unheilbaren Stadium entdeckt wird (siehe unten). Als sie dann auch noch von einem Onkologen hörte: „Sie haben noch zwei bis vier Jahre“, konnten sie und ihr Mann „erst einmal nur heulen“. Doch mit einem solchen Ablaufdatum wollte sie sich nicht abfinden. Sie fand ihren heutigen Onkologen, machte mit ihm einen Zehn-Jahres-Plan und hatte plötzlich wieder eine Perspektive. „Ich kann ein qualitativ gutes Leben führen, das hat mir Mut gemacht.“
"Nicht aufs Sterben warten"
Seither meistert Altmann-Pospischek einen Balanceakt: Zwischen Dauertherapien und Operationen, wenn ein Tumor weiterwächst, zwischen Nebenwirkungen und Krankenhausbesuchen, zwischen herben Rückschlägen und sprühender Lebensfreude. „Der Krebs ist mein Beifahrer, er ist immer da. Aber ich lasse ihn nicht ins Steuer greifen, die Richtung und das Tempo bestimme ich.“
So beschloss sie im Jahr 2016, wieder das zu tun, was schon immer Leidenschaft und vor der Erkrankung in einem Medienjob auch Beruf war: schreiben, nun über ihr Leben mit Krebs. Seither verfasst sie jeden Tag einen Blog-Eintrag, den sie auf Facebook postet. Dort zeigt sie die Realität der Krankheit, etwa wenn so wie gerade jetzt ihre Tumormarker unerklärlich hoch sind, aber auch wenn sie „ihren Peter“ zum zehnten Hochzeitstag in Las Vegas noch einmal heiratet. „Ich will zeigen, dass es neben den schlimmen Tagen auch viel Lebensfreude gibt. Wir Krebspatienten müssen nicht zu Hause sitzen und aufs Sterben warten.“
Schlagfertig sein
Dass Claudia Altmann-Pospischek unheilbar krank ist, sieht man ihr nicht an – nicht ihrer extravaganten Frisur, nicht dem offenen Gesicht, das gerne lächelt. „Metastasierte Patientinnen wie ich hören oft den Satz: Du siehst doch gut aus, so krank kannst du nicht sein.“ Oder: Du schaffst das schon, denke positiv. – „Nein, ich schaffe das nicht mehr und auch wenn es nicht böse gemeint ist, ist dieser Satz schwierig für mich“, sagt Altmann-Pospischek. Daher hat sie einen Online-Kurs zu „Schlagfertigkeit für Krebspatienten“ gestaltet (siehe Info).
Wie wäre es, wenn ich die Krankheit nicht hätte – wie unbeschwert wäre ich dann? „Solche Gedanken gibt es jeden Tag. Ich kann sie zwar wegschieben, aber sie verschwinden nicht“, sagt Altmann-Pospischek. Und fügt aber gleich an: „Momentan geht es mir gut, in absehbarer Zeit sterbe ich nicht.“