Der Leidensweg der Betroffenen erstreckt sich manchmal über Monate, viel öfter über Jahre. Sophia L., eine 23-jährige Studentin, konnte monatelang keinen Sex mit ihrem Freund haben, die Schmerzen machten es unmöglich. Bei Patientin Carola S. kamen die Schmerzen in Wellen - wenn sie da waren, konnte die 62-Jährige kaum sitzen, an Radfahren war nicht zu denken.
Brennende und stechende Schmerzen im Intimbereich, schon die Berührung durch Klopapier oder Unterwäsche verschlimmert die Beschwerden, das Tragen von Tampons oder Geschlechtsverkehr wird zum Martyrium: So kann sich eine Vulvodynie äußern. Die körperliche Pein wird noch verschlimmert durch ein häufiges Unverständnis der behandelnden Ärzte: „Ich fühlte mich von meiner Frauenärztin nicht ernst genommen“, erzählt die junge Patientin Sophia L. Andere, wie Carola S. werden immer wieder mit Antibiotika auf eine Blasenentzündung hin behandelt - eine Besserung stellt sich aber nicht ein.
„Vulvodynie und Vulvaschmerzen sind noch immer recht unbekannte Krankheitsbilder“, weiß Angelika Alberer. Die Gynäkologin leitet am Klinikum Klagenfurt die Spezialambulanz für Vulva-Erkrankungen. Das Problem: „Bei der gynäkologischen Untersuchung sieht man keine Auffälligkeiten“, sagt Alberer. Die Frauen scheinen gesund zu sein - da die wahre Ursache nicht zu finden war, wurden Betroffene in der Vergangenheit auch oft psychiatrisch behandelt.
Ursache unbekannt
Das ist ein weiteres Problem: „Die Ursache für die Schmerzen kennen wir bis heute nicht“, sagt Alberer. So können die Schmerzzustände in jedem Alter auftreten - die typischen Patientinnen sind aber junge Frauen.
Ganz eindeutig kann heutzutage jedoch die Diagnose Vulvodynie gestellt werden - und zwar über eine Gewebeprobe, die von speziell ausgebildeten Pathologen untersucht wird. Diese finden im Gewebe eine erhöhte Anzahl an Mastzellen sowie sensorische Nervenenden, die in das Gewebe einwachsen.
Mit Sigrid Regauer war es auch eine Pathologin (Med Uni Graz), die begann, das Wissen zum Thema Vulvodynie zu verbreiten. „In der Ausbildung der Ärzte kommt das Thema leider kaum vor“, sagt Regauer. Hier springt nun der Verein Vive ein, der nicht nur Fortbildungsveranstaltungen anbietet, sondern es sich auch zum Ziel gesetzt hat, ein Netzwerk an Therapeuten für ganz Österreich aufzubauen. Denn: „Ein Arzt allein kann diese Erkrankung nicht behandeln“, sagt Alberer.
Hier müssen verschiedene Fachdisziplinen zusammenarbeiten - ganz zentral sei die Physiotherapie. „Ein verspannter Beckenboden strahlt in den Unterleib aus. Durch die permanente Verspannung kommt es zu einer Unterversorgung des Gewebes, die die Schmerzen auslöst“, erklärt Judith Harpf, Physiotherapeutin am Klinikum Klagenfurt. Betroffene Frauen lernen Übungen, um ihren Beckenboden zu entspannen. „Wenn man Stress hat“, erklärt Harpf, „bekommen manche ein Magengeschwür oder Migräne, andere verspannen ihre Muskeln im tiefen Becken.“ Neben der Physiotherapie spielen aber auch die psychologische Beratung (Stichwort Entspannungstherapien), die Urologie, die Schmerzmedizin oder die Sexualtherapie mit. „Bis sich der Erfolg einstellt, brauchen Frauen Geduld“, sagt Alberer. Eine Besserung sehe sie aber bei fast allen Patientinnen.