116 Fällen von FSME, der Gehirnhautentzündung, die durch Zecken übertragen wird, stehen jährlich 25.000 bis 50.000 Menschen in Österreich gegenüber, die an der Borreliose erkranken. Woran erkennt man diese zweite „Zeckenkrankheit“?

MATEUSZ MARKOWICZ: Das häufigste Symptom ist die Wanderröte, ein roter Ring, der sich meist um den Zeckenstich entwickelt. Die Rötung tritt meist erst einige Tage bis sechs Wochen nach dem Stich auf. Die zweithäufigste Form ist die Neuroborreliose, wobei die Borrelien ins zentrale Nervensystem eindringen und zu schweren Beschwerden führen.

Welche Beschwerden sind das?

Bei Erwachsenen sehen wir eine Entzündung der Nervenwurzeln - das äußert sich in höllischen Schmerzen, die vor allem in der Nacht auftreten. Ich habe oft Patienten, bei denen diese Beschwerden auf die Bandscheiben oder andere Erkrankungen geschoben werden und die Borreliose nicht erkannt wird. Manchmal kommen auch Lähmungserscheinungen dazu, typisch ist die Lähmung der Gesichtsnerven.

Entsteht die Neuroborreliose, wenn die Wanderröte übersehen wurde?

Das kann sein, muss aber nicht sein. Es gibt Patienten, die keine Wanderröte haben, sondern gleich eine Neuroborreliose entwickeln. Neben diesen häufigsten Erscheinungsformen gibt es die chronischen Formen, die sehr selten sind. Typisch ist eine Form, die zur Verdünnung und blauroten Verfärbung der Haut an den Gliedmaßen führt und sich Jahre nach der Infektion entwickelt. Außerdem gibt es die Lyme-Arthritis, die in Europa sehr selten ist, in den USA häufiger auftritt. Das sind Schwellungen in den Gelenken, vor allem in den Kniegelenken. Dabei haben Betroffene anhaltende Beschwerden, da es zu Immunreaktionen kommt, die Rheuma ähneln.

Wie schwierig ist daher die Diagnose einer Borreliose?

Tritt die typische Wanderröte auf, kann die Diagnose alleine dadurch gestellt werden. Bei anderen Symptomen braucht es auch eine Blutuntersuchung auf Antikörper. Das Problem ist, dass auch Gesunde Antikörper entwickeln können. Das Paradebeispiel sind Jäger. Jäger sind oft Zecken ausgesetzt und haben Antikörper, obwohl sie gesund sind. Das zweite Problem ist, dass auch nach der Behandlung einer Borreliose die Antikörper noch jahrelang vorhanden sein können. Bei der Neuroborreliose wird zusätzlich die Rückenmarksflüssigkeit untersucht und Entzündungszellen bestimmt.

Wie sieht die Behandlung aus?

Die Wanderröte behandeln wir zehn bis 14 Tage mit Antibiotika, die chronischen Formen vier Wochen.

Rund um die Borreliose ist ein Glaubenskampf entbrannt. Welche Fronten stehen sich gegenüber?

Oft werden unklare Symptome damit erklärt, dass die Patienten Borreliose haben. Patienten mit Muskel- und Gelenkschmerzen, Müdigkeit, Erschöpfung machen sich auf die Suche nach einer Erklärung und landen bei der Borreliose. Das passiert, da es im Internet Listen von Symptomen gibt, die so gut wie jedes Wehwehchen auflisten, obwohl diese gar nicht zur Borreliose passen. Doch wenn Patienten verzweifelt sind, wollen sie eine Erklärung.

Leiden diese Menschen denn dann überhaupt an Borreliose?

Die Lyme-Borreliose ist eine Infektionskrankheit, die durch konkrete Symptome charakterisiert ist. Bei diesen Fällen aber ist die Infektion nicht nachgewiesen. Wir kennen auch das Problem, dass unseriöse Labor-Tests angeboten werden, deren Gültigkeit gar nicht wissenschaftlich bewiesen ist. Diese Tests müssen selbst bezahlt werden. Ein weiteres Problem sind viel zu lange Behandlungen mit Antibiotika, die nicht notwendig sind und für die Patienten schädlich sein können. Die längste Behandlung mit Antibiotika, die wissenschaftlich geprüft ist, sind vier Wochen.