Etwa ein bis zwei Prozent der Bevölkerung sind von der Online-Gaming-Sucht betroffen, fast ausschließlich handelt es sich dabei um junge Männer. Bei den 15- bis 18-Jährigen liegt die Zahl der Betroffenen Schätzungen zufolge sogar bei 4 Prozent. Was macht das stundenlange Gaming so reizvoll? Roland Mader, Abteilungsleiter und Experte für Online-Sucht am Anton Proksch Institut: „Es geht hier um Eskapismus, um eine Flucht aus dem eigenen Leben. Die Betroffenen spielen mit Avataren in einer virtuellen Fantasiewelt, in der sie besondere Kräfte haben und Teil einer Gruppe sind. Das Zugehörigkeitsgefühl wird allerdings schnell zum Gruppenzwang, nach dem Motto: ‚Du kannst jetzt nicht schlafen gehen, du musst mit uns weitermachen.‘“ Gespielt wird dabei in erster Linie „World of Warcraft“ oder andere Online-Rollenspiele.
Rückzug aus dem realen Leben
Kriterium für eine Sucht ist nicht in erster Linie die Zahl der Stunden, die die Betroffenen vor dem Computer verbringen, sondern der Rückzug aus dem realen Sozialleben. Dabei ist das Problembewusstsein sehr gering, beobachtet Mader: „Die Gamer kommunizieren ja – aber eben nur über ihr Headset von ihrem Zimmer aus.“
In der Therapie geht es zuerst einmal darum, sich vom Avatar zu lösen. „Der Avatar wird als ‚anderes Ich‘ wahrgenommen“, erklärt Mader. „Wenn das nicht mehr da ist, stellt sich für die Betroffenen die Frage: Wer will ich eigentlich sein? Und welche Fähigkeiten habe ich noch, wenn ich nicht mehr die Superkräfte des Avatars besitze?“
Neue Ziele finden
Das Anton Proksch Institut in Wien-Liesing, Österreichs größte stationäre Einrichtung für Suchtkranke, behandelt alle gängigen stoffgebunden und stoffungebundenen Süchte: Alkohol-, Nikotin-, Medikamenten- und Drogensucht sowie Internet-, Kauf- und Spielsucht bzw. Online-Spielsucht oder Gaming-Sucht, für die bereits ein eigenes Therapieprogramm entwickelt wurde.
Die Therapie jeder Suchtform im Anton Proksch Institut orientiert sich an den Ressourcen der Suchtkranken, erklärt Michael Musalek, ärztlicher Leiter des API: „Wer schöne Ziele hat und diese auch erreichen kann, für den ist ein erfülltes Leben – wieder – möglich. Wir unterstützen die Betroffenen dabei, ihren individuellen Weg zurück in ein gelungenes (Sozial-)Leben zu finden. So können Suchtmittel dauerhaft ihren Reiz verlieren.“