In einem offenen Brief haben sich hochrangige Mediziner, Vertreter von Krankenkassen, Wissenschaftlter und Patientenvertreter an Sebastian Kurz gewendet. Ihre gemeinsame Forderung: Am Rauchverbot ab Mai 2018 darf nicht gerüttelt werden.

"Es gibt kaum Maßnahmen, deren Nutzen wissenschaftlich so klar belegt ist, wie Nichtraucherschutz. Österreich darf in dieser wichtigen Angelegenheit nicht noch weiter zurückfallen", sagt Gerald Gartlehner, Professor für evidenzbasierte Medizin an der Donau Universität Krems.

Eine Analyse von Nichtraucherschutzgesetzen in 21 Ländern zeigte für die gesamte Bevölkerung Vorteile. Bereits unmittelbar nach deren Umsetzung reduzierten sich Herzinfarkte und auch Frühgeburten sowie Asthma bei Kindern gingen zurück. Deshalb führten Gerüchte, das bereits beschlossene Nichtraucherschutz würde nochmal zur Debatte stehen, zu großem Unverständnis bei Gesundheitsexperten.

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Schwächste Gesetze in Europa

Während der Raucheranteil in fast allen Ländern kleiner wird, ist er hierzulande seit Jahrzehnten konstant hoch. Im OECD-Durchschnitt rauchen 18 Prozent der Erwachsenen täglich, in Österreich sind es über 24 Prozent. Der Grund liegt in den - laut zwei internationalen Studien - schwächsten Nichtraucherschutzgesetzen Europas. Die bereits beschlossenen „rauchfreien Lokale“ nach über einem Jahrzehnt von zähen Verhandlungen noch zu kippen, wäre deshalb ein fataler gesundheitspolitischer Rückschritt.

„Die Gesundheit der Bevölkerung muss uns wichtiger sein als kurzfristiges politisches Kleingeld“, sagt Patientenanwalt Gerald Bachinger.

Rauchen kostet 750 Millionen Euro pro Jahr

Das Institut für Höhere Studien (IHS) errechnete eine jährliche Belastung von 750 Millionen Euro für die österreichische Volkswirtschaft. Diese enormen Mehrkosten entstehen unter anderem durch Arbeitsausfälle, Krankenbehandlungen und Invaliditätspensionen.

Eine Studie aus Deutschland zeigte, dass eine Zigarettenpackung eigentlich 11,30 Euro kosten müsste, um den gesamtgesellschaftlichen Schaden abzudecken.

Kein "Wirte-Sterben"

Die Furcht mancher Gastronomen vor Umsatzeinbußen hat sich mehrfach als unbegründet erwiesen. Erfahrungen aus anderen Ländern zeigen weiterhin gut besuchte Lokale, eine Befragung von 600 Gaststättenbetreibern in Deutschland sprach im Nachhineinvon
„systematisch überschätzten“ Sorgen. Laut Thomas Czypionka, Leiter der IHS Abteilung für Gesundheitsökonomie, wird es „mittelfristig auch in Österreich zu keinen Einbußen kommen“.

Kurz an „Wahlversprechen“ erinnert

Das Nichtraucherschutzgesetz wurde von der ÖVP mitentworfen und mitbeschlossen. Auf Anfrage an Bundesminister Kurz hieß es vor der Wahl, „nach jahrelangen Diskussionen und Zwischenlösungen hat sich die Bundesregierung im Jahr 2015 mit dem generellen Rauchverbot in Lokalen auf eine Lösung geeinigt. Um die Betroffenen nun nicht wieder zu verunsichern, werden wir an dieser Entscheidung, die mit drei Jahren Vorlaufzeit im Mai 2018 in Kraft tritt, ganz klar festhalten.“

Die Unterzeichner des offenen Briefs appellieren nun, dass der Wahlsieger nicht schon jetzt wortbrüchig wird.