Musiktherapie in der Behandlung von chronischen Schmerzen wurde bisher offenbar unterschätzt. Studien zeigen, dass die Klänge einen heilsamen Hormon-Cocktail im Körper freisetzen, der nicht nur das Wohlbefinden steigern, sondern auch Schmerzen lindern könne, berichteten Mediziner auf der Jahrestagung der Österreichischen Schmerzgesellschaft (ÖSG).

"Musik entspannt und verbessert die Stimmung", sagte Günther Bernatzky, Tagungspräsident. "Dabei werden auch eine ganze Reihe körpereigener Hormone aktiviert." So sorgen schon ein paar Takte harmonischer Musik für die vermehrte Ausschüttung der Glückshormone Serotonin und Dopamin. Zudem steigt auch der Oxytocin-Spiegel, der unter anderem für die Glücksgefühle während des Stillens sorgt. Gleichzeitig ist bereits nach wenigen Minuten deutlich weniger vom Stresshormon Cortison im Blut nachweisbar.

Harfe gegen Schwermut

Diese Behandlung war schon in der Antike bekannt. So ließ etwa König Saul gerne den Harfenspieler David zur Linderung seiner Schwermut herbeirufen. Auch in der griechischen Medizin setzten Ärzte Heilgesänge ein, um Leiden zu mildern. Was damals aus reiner Intuition geschah, lässt sich mittlerweile wissenschaftlich gut belegen: "Zwar wissen wir noch nicht genau, auf welchen Wegen Musik im Einzelnen wirksam wird, dennoch zeigen viele neue Studien, dass bereits das selektive Hören von bestimmter Musik sowohl bei akuten als auch bei chronischen Schmerzen oder bei Parkinson oder bei Stress eine deutliche Verbesserung bringt", erklärte Bernatzky.

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Die ÖSG hat deshalb dem Thema auf der Jahrestagung einen eigenen Schwerpunkt gewidmet. "Alle unsere bisherigen Studien zeigen, dass moderne Therapiemethoden sich nicht auf die rein medikamentöse Therapie allein beziehen sollten. Auch in ihrer Wirkung verifizierte Komplementärmethoden wie zum Beispiel die Musikstimulation sollten eingesetzt werden", sagte Bernatzky.

25 Minuten Musik pro Tag

Wie wirksam ein paar Takte Musik sein können, zeigte sich etwa in einer Studie mit 65 Patienten, die an schmerzhaften Wirbelsäulensyndromen litten. Alle wurden zwar mit den gleichen Medikamenten und einer standardisierten Physiotherapie behandelt, die Hälfte der Patienten bekam aber zusätzlich einen CD-Spieler und Kopfhörer ausgehändigt. Damit hörten sie täglich 25 Minuten Musik und eine vorangestellte Entspannungsanleitung. Nach drei Wochen waren die Unterschiede signifikant: Während die Schmerzen in der Musik-Gruppe durchschnittlich um 50 Prozent reduziert werden konnten, war in der Kontrollgruppe ein Rückgang von nur zehn Prozent messbar. Ebenso hatte sich auch die Schlafqualität der Musikhörer deutlich stärker verbessert.

Eine andere Arbeit, die im Krankenhaus Hallein durchgeführt wurde, zeigte, dass bei Patienten, die am Tag vor sowie rund um eine Operation Musik und Entspannungsanleitung hörten, der Verbrauch von Schmerzmitteln um 54 Prozent und jener an Schlafmitteln um 63,6 Prozent sank. Dabei war das Wohlbefinden in der Musikgruppe signifikant größer.

Weniger Zittern bei Parkinson

Interessant waren auch die Ergebnisse einer Studie mit 63 Parkinsonpatienten. Dabei zeigte sich, dass bereits unmittelbar nach Aufsetzen der Kopfhörer das Zittern nachließ und sich die Gangrhythmizität signifikant verbesserte. Zudem besserten sich die Angstzustände der musikhörenden Patienten. "Das Hormon Dopamin, das bei Parkinsonpatienten zu wenig vorhanden ist, wird beim Hören von stark rhythmisch akzentuierter Musik im Hirn vermehrt produziert und lindert das Zittern und verbessert die Gangprobleme", erklärte Bernatzky.

Welche Musik?

Welche Art von Musik diese heilsame Wirkung entfaltet, hängt zwar auch von individuellen Vorlieben ab - dennoch gibt es verallgemeinerbare Muster. Klassische Musik wirkt auf viele Menschen beruhigend, Rock und Pop hingegen haben einen anregenden Effekt und mildern die Wirkung der klassischen "Immunkiller" wie Stress oder Müdigkeit.

Lady Gagas Single "Alejandro" oder der U2-Hit "Beautiful Day" haben eine stimmungsaufhellende und leistungssteigernde Wirkung. Die wissenschaftliche Erklärung dafür liegt im Tempo der Lieder: "Normale Körperfunktionen laufen bei 72 Herzschlägen pro Minute ab. Bei einem Tempo von mehr als 72 Beats per Minute wirkt Musik aufputschend, bei weniger wirkt Musik dagegen beruhigend", erklärt Bernatzky.

Playlist als Therapie

Der Schmerztherapeut hat deshalb eine Playlist zusammengestellt, die für Linderung sorgen soll. "Ein ein- bis zweimal tägliches Hören dieser standardisierten speziellen Musik fördert den Behandlungserfolg einer multifaktoriellen Schmerztherapie um bis zu mehr als 40 Prozent." Das Programm ist unter dem Titel "Entspannung bei Schmerzen" im Buchhandel und in Apotheken erhältlich.