Der Grat kann so schmal sein: Auf der einen Seite steht der Genuss, der den Alkohol in Form von edlem Wein und süffigem Bier zum gern gesehenen Gast auf Feierlichkeiten macht. Auf der anderen Seite steht die Sucht: 350.000 Österreicher sind alkoholkrank, in der Steiermark sind es 52.000 Menschen, die im Balanceakt zwischen Genuss und Sucht abgestürzt sind. Wie man diesen Absturz verhindern kann, ist das Thema einer Tagung, die gerade in Stainz stattfindet.
„Es ist Zeit, das Thema Alkohol anzugehen“, sagt Claudia Kahr, Geschäftsführerin von Vivid, der Fachstelle für Suchtprävention. Und schränkt gleich ein: „Wir wollen den Alkohol nicht verdammen, sondern erreichen, dass Menschen einen verantwortungsvollen Konsum erlernen.“
Doch die Begleitumstände dafür sind denkbar schlecht: Kein anderes Suchtmittel wird so selbstverständlich konsumiert und akzeptiert wie Alkohol. Wer viel verträgt, wird bewundert, wer nichts trinkt, wird komisch beäugt. Doch dann, wenn Menschen die Kontrolle darüber verloren haben, wann und wie viel sie trinken, „haben sie keinen Platz mehr in der Gesellschaft“, sagt Kahr.
Weg in die Sucht
Der Weg in die Sucht führt nicht nur über die Menge, die ein Mensch trinkt, sondern vor allem über die Funktion, die der Alkohol für ihn einnimmt. „Viele trinken, um zu vergessen und sich mit Konflikten nicht auseinanderzusetzen“, sagt Kahr. Wenn das einmal geschieht, sei es noch nicht problematisch. Aber wenn es keine anderen Strategien gibt, um mit Problemen umzugehen, greift man wieder zum Alkohol - und wieder und wieder. „Und dann ist man auf dem Weg in die Sucht“, sagt Kahr.
Das Ziel der Tagung in Stainz ist es, ein Bündel von Maßnahmen vorzustellen, mit denen man dieser Suchtentwicklung entgegenwirkt. 20 Empfehlungen werden von den österreichischen und internationalen Experten formuliert: Dazu zählt zum Beispiel die bewusste Preisgestaltung. „Es sollte keine Angebote geben, die es fördern, dass man in kurzer Zeit sehr viel trinkt“, sagt Kahr und spricht damit Flatrate-Partys oder Happy-Hour-Angebote an.
Laut dem deutschen Experten Henrik Jungaberle sollte es auch gesetzliche Regelungen wie ein Werbeverbot geben. Eine zentrale Rolle kommt den Eltern als Vorbildern zu: „Wenn ein Vater abends nach Hause kommt und sagt: ,Jetzt brauche ich ein Bier', macht das etwas mit einem Kind“, sagt Kahr.
Sonja Saurugger