Nein, Winfried Graninger ist mit dem Begriff „Rheuma“ nicht glücklich. Denn als Rheumatologe weiß er, dass dieses Wort die vielfältigen Formen und Gesichter der Krankheiten, die damit zusammengefasst werden, nicht widerspiegelt. „Erkrankungen aus dem rheumatischen Formenkreis“: Diese Bezeichnung kommt diesem Anspruch schon näher. Denn ganze 400 Krankheiten machen das aus, was man salopp als Rheuma bezeichnet. Was sie alle gemeinsam haben? „Es tut etwas weh, irgendwo im Körper“, sagt Graninger, der die Rheumatologie der MedUni Graz leitet. Dieser Schmerz kann die Gelenke, die Muskeln, die Sehnen betreffen oder sich auf innere Organe auswirken - und das in jedem Alter.

Verformte Finger, die kaum noch greifen können und zu alten Menschen gehören: Diese Bilder tauchen vor dem inneren Auge auf, wenn man an Rheuma denkt. Dass es auch Kinderrheuma gibt, dass viele Patienten bereits in ihrer Lebensmitte erkranken und dass die totale Zerstörung der Gelenke, die zu den Verformungen führt, heute dank moderner Medikamente nicht mehr sein darf - das wird leicht vergessen.

Winfried Graninger, Rheumatologe MedUni Graz
Winfried Graninger, Rheumatologe MedUni Graz © kk
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Abnützung oder Entzündung?

Innerhalb der großen Gruppe der rheumatischen Erkrankungen ist eine grundlegende Unterscheidung wichtig: Handelt es sich um eine altersbedingte Abnützung oder um eine entzündliche Erkrankung? Die entzündlichen Formen, die sich oft an roten, geschwollenen und schmerzhaften Gelenken bemerkbar machen, müssen nämlich so schnell wie möglich behandelt werden. „Denn sonst droht der entzündliche Knochenfraß“, sagt Graninger. Die Entzündung kann Knochen und Gelenke zerstören - und nicht nur das. „Schon nach wenigen Jahren kann entzündliches Rheuma auch die Lunge schädigen.“

Die Entzündung geht, wenn sie nicht behandelt wird, auf die Lungenbläschen über, was zur Lungenfibrose führt. Auch in den Gefäßen hinterlässt die Entzündung ihre Spuren, weshalb Rheuma-Patienten ein erhöhtes Herzinfarktrisiko haben.

Zerstörte Lunge

Diese Entzündung kommt „von innen“: Entzündliches Rheuma ist eine Autoimmunerkrankung, was bedeutet, dass das eigene Immunsystem den Körper angreift. Ist das geschwollene, schmerzhafte Gelenk oft ein erstes Anzeichen, braucht es in der Folge aber eine genaue Diagnose: „Ich kann nicht jedes geschwollene Gelenk gleich behandeln, es gibt viele verschiedene Untergruppen“, sagt Heike Muchar, Rheuma-Spezialistin am Klinikum Klagenfurt. Für die richtige Diagnose werden spezielle Rheuma-Marker im Blut gemessen, mit Röntgen und Ultraschall wird der Bewegungsapparat untersucht - damit die richtige Therapie gefunden wird.

„Das erste Mittel ist meist Kortison, da es die Entzündung sehr gut bekämpft“, sagt Muchar. Das ist der erste Schritt im stufenförmigen Behandlungsplan. Darauf folgen Medikamente, die das Immunsystem unterdrücken. Wirken diese Medikamente nicht mehr, kommen moderne biologische Medikamente, sogenannte Biologika, zum Einsatz.

Heike Muchar, Rheumatologin Klinikum Klagenfurt
Heike Muchar, Rheumatologin Klinikum Klagenfurt © kk

„Diese Medikamente greifen gezielt in das Immunsystem ein und reduzieren die Entzündung“, erklärt Wolfgang Eisterer, Abteilungsleiter Innere Medizin am Klinikum Klagenfurt. Nehmen Betroffene Biologika, müssen sie gut aufgeklärt werden und wissen, was zu tun ist, wenn Infekte (häufige Nebenwirkung) auftreten. „Dank dieser Biologika darf es heute nicht mehr zu schweren Verformungen der Gelenke kommen“, sagt Muchar. Komme es doch dazu, sei der Patient nicht richtig behandelt worden - oder habe sich nicht behandeln lassen.

Auf Fleisch verzichten

Auch selbst können Betroffene viel tun. Das Wichtigste: Nicht rauchen, denn das fördert die Entzündung noch weiter. Die Ernährung kann Rheuma auch beeinflussen: Der Verzicht auf Fleisch (eine laktovegetarische Kost) tut Rheumatikern gut. Und: Bewegung! „Hat man die Entzündung in den Griff bekommen, sollte man zur Physiotherapie gehen und sich zeigen lassen, welche Bewegung guttut“, sagt Muchar.