Patienten mit Spitzenjobs greifen bei Depressionen weniger zu traditioneller medikamentöser Behandlung. Und das offenbar nicht ohne Grund: Ein internationales Forscherteam mit Experten aus Belgien, Italien, Israel und Österreich hat herausgefunden, dass Menschen in solchen Positionen auch weniger auf diese Therapieform ansprechen.
Die Forscher hatten 654 erwachsene arbeitende Menschen untersucht, die wegen Depressionen in klinischer Behandlung waren, hieß es in einer Aussendung der Universitätsklinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Meduni Wien. Die Untersuchungsergebnisse wurden beim Neurpsychopharmakologie-Kongress, der am Dienstag in Wien zu Ende ging, vorgestellt. 336 Patienten oder 51,4 Prozent hatten Spitzenpositionen inne, die andere knappe Hälfte verteilte sich etwa je zur Hälfte auf das mittlere und das niedrige Jobsegment.
Etwa zwei Drittel der Patienten waren weiblich, was in etwa auch der normalen Geschlechteraufteilung entspreche, wenn es um Depressionserkrankungen geht. Wenig überraschend war auch, dass ein niedriger sozialer und wirtschaftlicher Status mit einer deutlich größeren Anfälligkeit für Depressionen einher geht.
55,9 Prozent in Spitzenjobs gegen Behandlung resistent
Die meisten Patienten wurden mit sogenannten SRIs - Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmern - behandelt. Dazu kamen andere pharmakologische Produkte und Psychotherapie. Es zeigte sich, dass Personen in Spitzenjobs weniger SRIs und mehr psychotherapeutische Behandlungen erhielten. Nach den Behandlungen zeigte sich bei Analysen, dass 55,9 Prozent der Patienten in Spitzenjobs gegen die Behandlung resistent waren. Bei Personen mit mittleren Positionen waren es hingegen nur 40,2 Prozent, im unteren Job-Segment waren 44,3 Prozent der Patienten resistent. Auch das Nachlassen der Krankheit zeigte sich deutlich seltener bei Personen in Spitzenpositionen.
Siegfried Kasper von der Universitätsklinik für Psychiatrie und Psychotherapie räumte zwar ein, dass diese Ergebnisse nur vorläufig seien. "Aber sie könnten anzeigen, dass ein Beschäftigungsstatus im hohen Level ein Risikofaktor für eine schlechte Reaktion auf die Behandlung ist." Dem Experten zufolge könnten einige spezifische Umstände diese Ergebnisse erklären, etwa spezifische Voraussetzungen und Faktoren im Arbeitsumfeld, die Schwierigkeit für Patienten, mit Krankheit umzugehen oder Persönlichkeits- oder Habitus- und kognitive Unterschiede.
Joseph Zohar, Co-Forscher vom Chaim Sheba Medical Center aus Tel Hashomer in Israel, betonte die Wichtigkeit "präziser Verschreibungen", die nicht nur abhängig von Symptomen und Veranlagungen, sondern auch vom Beschäftigungslevel abhängen. Eduard Vieta von der Universität Barcelona wies auf den hohen Stresslevel in Spitzenjobs hin. Patienten in hohen Positionen könnten mehr auf psychosoziale Behandlungen reagieren ohne Hilfe von pharmazeutischer Therapie. "Die ideale Behandlung von Depressionen ist, generell gesehen, schon die Kombination von pharmazeutischer und Psychotherapie", sagte Vieta.