Die Meldung sorgte für Aufruhr: In den USA wurde erstmals ein sogenannter „Super-Erreger“ bei einem Menschen festgestellt: Bei einer 49-jährigen Frau aus dem Staat Pennsylvania sei bei einem Harnwegsinfekt ein E-Coli-Bakterium gefunden worden, gegen das kein Antibiotikum geholfen habe. Das teilte die US-Gesundheitsbehörde (CDC) mit.
Sind wir nun im „post-antibiotischen Zeitalter“ angekommen, vor dem Experten seit Jahren warnen? Wo gibt es dieses Bakterium überall und für wen ist es gefährlich? Und: Was muss getan werden, um gegen resistente Keime vorzugehen? Diese Fragen haben wir Experten gestellt und folgende Antworten bekommen.
Was macht dieses Bakterium zum „Super-Erreger“?
Dieses Bakterium ist gegen eine Vielzahl von Antibitika immun, auch gegen das sogenannte „Reserveantibiotikum“ Colistin. Colistin ist ein sehr alter Wirkstoff, der 1959 auf den Markt gekommen ist, wegen seiner nierenschädigenden Wirkung beim Menschen aber seit den 1980er-Jahren in der Regel nicht mehr verabreicht wird. Es galt bisher als letzte Therapiemöglichkeit bei vielen resistenten Keimen.
Wie dramatisch ist dieser Fund nun?
„Es ist ein weiterer Baustein einer sehr bedenklichen Entwicklung“, sagt Robert Krause, Infektiologe an der MedUni Graz. Aber er schränkt auch ein: Zwar wäre nun ein weiteres Antibiotikum für die Therapie weggefallen – es gebe aber noch andere Wirkstoffe, mit denen dieser Keim behandelt werden könne. Dieser Keim ist besonders besorgniserregend, da seine Immunität quasi „ansteckend“ ist: Das resistente Gen (MCR1) kann von einem Bakterium auf ein anderes übergehen und sich so noch schneller verbreiten.
Kann dieser Keim auch in Österreich auftreten?
Dieser Keim ist bereits in Österreich aufgetreten! Allerdings nicht beim Menschen, sondern beim Schwein: 2015 wurde bei einer Routinekontrolle eben dieser Keim im Schweinekot entdeckt, bestätigt Franz Allerberger von der Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (Ages). „Das war der erste und bisher einzige Fund eines solchen Bakteriums in Österreich“, sagt Allerberger.
Wo kommen diese Keime eigentlich her?
Die Experten sind sich einig: „Das große Problem ist hier der Einsatz von Antibiotika in der Zuchttierhaltung.“ Vom Antibiotikum Colistin wird in Österreich knapp eine Tonne (!) pro Jahr in der Tierhaltung eingesetzt. „Das müsste sofort verboten werden“, sagt Krause. Denn so „verschütte“ man ein wertvolles Antibiotikum, das für die Behandlung von Menschen so wertvoll ist. Auch die Weltgesundheitsorganisation hat diesen Einsatz bereits als „inakzeptabel“ verurteilt – doch bisher wurde noch nichts in Richtung eines Verbots unternommen.
Wie entstehen resistente Keime?
Hier gibt es mehrere Möglichkeiten: Resistenzen können spontan durch Mutationen entstehen, sie können aber auch durch Gene von Bakterium zu Bakterium weitergegeben werden. Resistenzen entstehen auch dann, wenn ein Antibiotikum nicht richtig (z.B. vollständig) eingenommen wird und einige Bakterien überleben. Daher ist die richtige Einnahme so wichtig!
Was bedeuten resistente Keime für die Medizin?
Sie sind eine große Bedrohung: Schon heute sterben 700.000 Menschen pro Jahr durch Ansteckung mit resistenten Keimen. Bis zum Jahr 2050 könnte sich diese Zahl mehr als verzehnfachen – auf 10 Millionen Tote pro Jahr. Sollten Antibiotika ihre Wirksamkeit verlieren, könnten chirurgische Eingriffe zu gefährlich werden. Außerdem könnten schon einfache Infektionen (Harnwegsinfekt, Darmentzündungen) zu unbehandelbaren und damit tödlichen Krankheiten werden.
Machen diese Keime „kränker“ als andere?
„Nein“, sagt Krause, „sie sind nur schwieriger oder gar nicht mehr zu behandeln.“ Der nun entdeckte Keim könne verschiedene Infektionen auslösen: von Harnwegsinfekten über Darmerkrankungen bis zu Lungenentzündungen. Für einen gesunden Menschen stellen diese Keime in der Regel auch kein Problem dar – doch bei Menschen, die an einer Grunderkrankung leiden oder zum Beispiel bereits auf der Intensivstation liegen, können sie zur tödlichen Gefahr werden.
Was kann getan werden, um multiresistente Keime zu bekämpfen?
Britische Forscher haben erst letzte Woche ein Maßnahmenpaket gefordert: Dazu gehört der eingeschränkte Einsatz von Antibiotika in der Tiermast, Resistenzen besser zu überwachen und mehr Geld in die Erforschung neuer Antibiotika zu investieren.
Was kann jeder einzelne tun?
Antibiotika sollten nur dann eingenommen werden, wenn sie wirklich notwendig sind: bei bakteriellen Infektionen, nicht bei Virus-Erkrankungen wie Erkältungen! Antibiotika dürfen auch nicht zu früh abgesetzt werden.