Hyperbare Sauerstofftherapie: So heißt jene experimentelle Methode, mit der der Skiflieger Lukas Müller nach seinem schweren Sturz am Kulm behandelt wurde. Die Diagnose damals lautete: inkomplette Querschnittlähmung. Das bedeutet: Er hatte zwar noch etwas Gefühl in den Beinen, Bewegung war aber nicht möglich. Heute kann Müller seine Zehen wieder bewegen, die Hüfte selbstständig drehen und sich selbst in den Rollstuhl heben.
Wie ein Medikament
Gleich nach der Operation wurde mit der Sauerstofftherapie begonnen. Dazu wurde Müller in die Druckkammer im Keller des LKH-Uniklinikums Graz gebracht und atmete dort reinen Sauerstoff. „Unter diesen Bedingungen wirkt Sauerstoff wie ein Medikament“, sagt Freya Smolle-Jüttner, die verantwortliche Ärztin.
Müller erlitt die Verletzung im Bereich der Halswirbelsäule: Bei einer solchen Verletzung kommt es zu sogenannten „Sekundärschäden“: „Es kommt zu Schwellungen und Entzündungen, die dazu führen können, dass die Lähmung sich ausbreitet“, sagt Smolle-Jüttner. Das kann durch den reinen Sauerstoff verhindert werden – aber nicht nur das: Auch die Regeneration der Zellen wird gefördert, somit können Schäden „ein bisschen“ rückgängig gemacht werden.
Hoher Druck
Durch den hohen Druck in der Druckkammer löst sich der Sauerstoff in den Körperflüssigkeiten und kann so seine Wirkung entfalten. „Das ist nicht vergleichbar damit, wenn Sauerstoff über eine Maske geatmet wird“, sagt die Expertin. Und betont: „Eine solche Therapie muss so früh wie möglich angewendet werden.“ Denn ist man zu spät dran, beginnt ein Prozess der Schädigung im Rückenmark, der kaum noch zu beeinflussen ist.
Erst zweiter Patient
All diese Erkenntnisse haben die Ärzte bisher nur aus Experimenten: Müller war erst der zweite Patient, der in Graz so behandelt wurde. Die erste Patientin war eine Bäuerin im Oktober 2014, die bei einem Sturz in ein Silo einen Genickbruch erlitt, aber schon 14 Tage später wieder gehen konnte. „Bei dieser Patientin waren die Verletzungen nicht so schwer, das Rückenmark war nur gequetscht“, sagt Smolle-Jüttner. Und betont: „Wir wollen keine falschen Hoffnungen wecken.“
Die Therapie sei noch völlig experimentell, man würde nun mit einer Studie beginnen, um diese Therapie zu überprüfen, bevor sie zur „Routine“ werden kann. Daher sei diese Methode auch nicht die Heilung der Querschnittlähmung, auf die so viele hoffen. „Was durchtrennt ist, können wir nicht zum Zusammenwachsen bringen“, sagt Smolle-Jüttner. „Aber dort, wo noch etwas zu retten ist, können wir ansetzen“.
SONJA SAURUGGER