Wird ein Therapiedurchbruch vermeldet, heißt es zunächst immer: Mit Vorsicht genießen, wer weiß, ob die Meldung hält, was sie verspricht. Diese Woche kam die Meldung von der Pharmafirma Roche, deren neues Medikament Ocrelizumab gegen multiple Sklerose (MS) von der amerikanischen Arzneimittelbehörde den Titel „Therapiedurchbruch“ verliehen bekam. Dieser Status soll die Zulassung von neuen Medikamenten beschleunigen. Doch wie groß ist der vermeintliche Durchbruch?

Bisher: Keine Therapie

„Es ist tatsächlich ein Durchbruch“, bestätigt Christian Enzinger, Neurologe und MS-Spezialist an der MedUni Graz, denn dieses Medikament richtet sich an Patienten, für die man bisher so gut wie nichts tun konnte.

Christian Enzinger, Neurologe MedUni Graz
Christian Enzinger, Neurologe MedUni Graz © MedUni Graz
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Primär progredient: So heißt die Form der MS, für die es bisher keine Therapie gab und für die der neue Wirkstoff entwickelt wurde. Diese schwere Form verläuft ohne akute Schübe, sondern führt zu einer stetig fortschreitenden Verschlechterung und Behinderung. "Während wir Patienten mit der schubhaften Form von MS heute sehr gut helfen können, waren wir bei dieser Form hilflos", sagt Enzinger. Bisher konnten bei diesen Patienten nur die Symptome mittels Physiotherapie und ähnlichem behandelt werden.

„Etwa fünf bis zehn Prozent der MS-Patienten könnten von diesem Medikament profitieren“, sagt Enzinger, denn so groß sei der Anteil aller MS-Betroffenen, die an dieser Form leiden. Es bleibe aber abzuwarten, ob sich die guten Ergebnisse aus den Studien auch in der Praxis bestätigen, gibt der Experte zu bedenken. Wenn das Medikament am Markt ist – was wohl nicht mehr allzu lange dauern dürfte –, muss es mit Bedacht eingesetzt werden, denn der Antikörper ist sehr teuer.

Reset-Knopf

Wie dieses Medikament wirkt, lässt sich am einfachsten so zusammenfassen: Es drückt im Immunsystem den Reset-Knopf. Genauer gesagt bedeutet das: Der Antikörper richtet sich gezielt gegen die B-Zellen des Immunsystems und vernichtet sie flächendeckend. Diese Immunzellen sind es, die die Nervenzellen des Körpers angreifen und so zur Multiplen Sklerose führen.

Dieser Wirkmechanismus ist nicht neu und wurde schon in anderen Medikamenten versucht - bisher waren die Nebenwirkungen aber sehr schwer. "Das soll nun anders sein", sagt Enzinger. In den bisher durchgeführten Studien wurden 732 Patienten behandelt, darunter auch 16 Patienten aus Österreich.