"Wenn man 25 bis 35 Mal am Tag aufs Klo gehen muss, richtet sich der ganze Alltag nur nach der Krankheit", sagt Andreas Skringer. Der 34-Jährige litt 15 Jahre lang an einer chronischen entzündlichen Darmerkrankung: Sein ganzer Alltag war danach organisiert, wo er die nächste Toilette findet, egal ob im Supermarkt oder im Beruf. Neben den Durchfällen plagten ihn auch die ständigen Schmerzen im Bauch.

Er probierte alles an Therapien aus, nahm Cortison und ließ sogar sein Immunsystem unterdrücken. "Es war so schlimm, dass ich schon überlegt habe, mir den Darm entfernen zu lassen, damit zumindest die Schmerzen aufhören", erzählt Skringer. Doch vor zwei Jahren unterzog sich der Steirer der neuartigen Therapie der Stuhltransplantation - und führt seither ein anderes Leben.

Die Experten Patrizia Kump und Christoph Högenauer mit dem Patienten
Die Experten Patrizia Kump und Christoph Högenauer mit dem Patienten © Marija Kanizaj/LKH GRAZ

"Innerhalb von ein paar Wochen konnte ich wieder alles essen und einen normalen Alltag führen", erzählt Skringer. Ermöglicht hat ihm das die Stuhlspende seiner Frau: Bei der Stuhltransplantation wird nämlich der Stuhl eines gesunden Spenders in den kranken Darm übertragen. "Mit dem Stuhl transplantieren wir ein ganzes Ökosystem an Bakterien und forsten so den kranken Darm wieder auf", erklärt der Gastroenterologe Christoph Högenauer.

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Europäische Vorreiter

Mit seiner Kollegin Patrizia Kump hat er diese Therapiemethode, die es bereits in der chinesischen Medizin gab und Mitte der 1990er-Jahre von der Schulmedizin wieder entdeckt wurde, als europäischer Vorreiter an der Grazer LKH-Uniklink etabliert. 120 solcher Transplantationen wurden am Klinikum bereits erfolgreich durchgeführt - "und wir haben so viele Anfragen, dass wir gar nicht alle beantworten können", sagt Ärztin Kump.

Das Innere unseres Darm ist dicht besiedeltes Gebiet: 100 Billionen Bakterien sind dort beheimatet und überziehen die Darmschleimhaut wie eine schützende Decke. Ist dieses Mikrobiom aber einmal gestört oder geschwächt, wird der Schutzpanzer durchlässig - und krankmachende Bakterien können sich ansiedeln. "Diese Lücke im Mikrobiom füllen wir durch die Stuhltransplantation wieder auf", erklärt Experte Högenauer.

Heilungschancen: 90 Prozent

Eingesetzt wird die Therapie bei Infektionen mit dem Bakterium Clostridium difficile - die häufigsten Infektionen im Darm, die lebensbedrohlich werden können - und bei entzündlichen Darmerkrankungen. "Clostridium-Infektionen können wir zu 90 Prozent heilen", sagt Kump und zeigt den Erfolg der Methode auf. Noch wird die experimentelle Methode aber nur bei Patienten eingesetzt, bei denen alle anderen Therapien versagt haben. "Wir wissen noch zu wenig über die Langzeitwirkung", erklären die Experten. Daher dürfe die Methode auch nur an spezialisierten Zentren durchgeführt werden.

Kein Ekel

Bedenken oder Ekel hatte Patient Skringer nicht: "Ich habe so viel Chemie ausprobiert, die nicht geholfen hat. Das ist etwas Natürliches", sagt er. Auch Högenauer und Kump berichten, dass der Leidensdruck für Betroffene meist so groß ist, dass es keine Bedenken wegen des fremden Stuhls im Darm gibt. Bei Skriger war es seine Frau, die ihren Stuhl für die Transplantation zur Verfügung stellte: "Ich weiß, wie meine Frau lebt und was sie isst - ich war also auf der sicheren Seite", sagt Skriger und lacht.