Mikro- und Nanoplastik wurde in jedem Winkel unseres Planeten gefunden, auf den höchsten Gipfeln und den tiefsten Meeren; es wurde in mehr als 1.300 Wasser- und Landtierarten nachgewiesen; es steckt in den Nahrungsmitteln und Getränken, die wir zu uns nehmen und in der Luft, die wir atmen; Mikroplastik wurde bereits in zahlreichen Geweben und Organen des menschlichen Körpers nachgewiesen: Es zirkuliert in unserem Blut, wurde in der Plazenta sowie in der Muttermilch gefunden. Mikro- und Nanoplastik ist überall. Nun haben österreichische Forscher gezeigt, dass Nanoplastik auch die Wirkung von Antibiotika beeinflussen kann – das könnte auch die Entstehung von Antibiotika-Resistenzen fördern.
Um zu untersuchen, ob und wie Nanoplastikpartikel im Blut Antibiotika beeinflussen können, hat das Forschungsteam unter der Leitung von Lukas Kenner (MedUni Wien), Barbara Kirchner (Universität Bonn) und Oldamur Hollóczki (Universität Debrecen) ein gängiges Medikament mit weit verbreiteten Kunststoffarten in Verbindung gebracht. Im Fokus stand das Breitbandantibiotikum Tetracyclin, das gegen viele bakterielle Infektionen etwa der Atemwege, der Haut oder des Darms eingesetzt wird. Bei den Kunststoffen fiel die Wahl auf Polyethylen (PE), Polypropylen (PP) und Polystyrol (PS), die allgegenwärtige Bestandteile von Verpackungsmaterialien sind, sowie Nylon 6,6 (N66), das in vielen Textilien wie Kleidung, Teppichen, Sofabezügen oder Vorhängen enthalten ist.
Wirkung von Antibiotika um 50 Prozent reduziert
„Wir konnten in der Zellkultur zeigen, dass das untersuchte Antibiotikum an Nanoplastikteilchen bindet, dadurch wird die Wirkung des Arzneimittels um etwa 50 Prozent reduziert“, sagt Lukas Kenner, der auch bei MicroOne/ CBmed in Graz forscht. In der Folge bedeutet das: Wenn Nanoplastik die Wirksamkeit von Antibiotika reduziert, stellt die Dosierung ein massives Problem dar. Nun müsse in weiteren Studien untersucht werden, ob sich diese Prozesse im Körper tatsächlich so abspielen und welche Konsequenzen das auf die Therapie mit Antibiotika hat.
Hören Sie hier den Podcast mit Lukas Kenner:
Gleichzeitig könnte die Bindung an Nanoplastik dazu führen, dass das Antibiotikum an nicht dafür vorgesehene Stellen im Körper transportiert wird, wodurch es seine gezielte Wirkung verliert und möglicherweise auch andere unerwünschte Effekte hervorruft. „Besonders besorgniserregend ist unsere Erkenntnis, dass die lokale Konzentration von Antibiotika an der Oberfläche der Nanoplastikpartikel ansteigen kann“, berichtet Lukas Kenner: Das könnte dazu führen, dass die Entstehung von antibiotika-resistenten Keimen gefördert wird. „Wir sehen, dass die Antibiotikaresistenzen weltweit zunehmen, das könnte auch mit dem überall vorkommenden Mikro- und Nanoplastik zusammenhängen“, sagt Kenner.
„Besonders stark war die Bindung bei Nylon“, betont Kenner und weist auf eine weitgehend unterschätzte Gefahr in Innenräumen hin: „Dort ist die Mikro- und Nanoplastikbelastung etwa fünfmal höher als draußen. Nylon ist einer der Gründe dafür: Es wird aus Textilien freigesetzt und gelangt z.B. über die Atmung oder Nahrungsmittel in den Körper.“
Mikroplastik im Alltag reduzieren
Was kann nun jeder einzelne tun, um sich vor Mikroplastik zu schützen? Experte Kenner rät, das eigene Zuhause und Einkaufsverhalten unter die Lupe zu nehmen: „Nylon steckt vor allem in Kunstfasern in unserer Bekleidung – darauf kann man beim Einkauf achten“, sagt Kenner. Auch Wandfarben oder Teppichböden können Quellen von Mikroplastik im eigenen Zuhause sein. Augen auf gilt auch bei den Utensilien, die in der Küche verwendet werden: Schneidbretter aus Plastik, Schüsseln, Jausenboxen, Trinkflaschen: „Am besten wäre es, alles Plastik aus der Küche zu entfernen, denn kommt Nahrung mit Plastik in Kontakt, isst man die winzigen Teilchen mit“, sagt Kenner.