Es ist ein Thema, das Träumer und Fantasten anlockt: Aubrey de Grey, ein Brite, der als Enfant terrible der Altersforschung bezeichnet wird, glaubt, dass der Mensch, der 1000 Jahre alt wird, bereits geboren ist. Sein erklärtes Ziel ist, das Altern zu besiegen – mit den Mitteln der modernen Medizin. Tech-Millionär Bryan Johnson ist laut eigener Aussage auf einer Mission, die lautet: „Stirb nicht“. Für dieses Ziel schluckt er 111 Pillen pro Tag und hat sich einer rigiden Tagesstruktur unterworfen, die von einer künstlichen Intelligenz entwickelt wurde und laut der er seine letzte Mahlzeit des Tages um 11 Uhr vormittags zu sich nimmt. Weit weniger extrem, die Aussagen von Harvard-Professor David Sinclair, der behauptet, sich selbst um ein Jahrzehnt verjüngt zu haben und in seinem Buch „Das Ende des Alterns“ proklamiert. Wie er das geschafft hat? Unter anderem mit Intervallfasten, Bewegung, Stressreduktion und zwei Tassen Grüntee pro Tag.

Die Suche nach einem Jungbrunnen ist ein bestimmendes Thema der medizinischen Forschung geworden – und das aus gutem Grund: „Im Vergleich zum Jahr 2015 wird sich die Zahl der Über-60-Jährigen bis zum Jahr 2050 verdoppeln“, sagt Corina Madreiter-Sokolowski, Altersforscherin an der MedUni Graz. Das Problem daran: Ab dem Alter von 60 Jahren steigt das Risiko für Alterserkrankungen sprunghaft an, was in der Folge bedeutet: Je mehr ältere Menschen, desto mehr kranke Menschen gibt es auch, die es zu versorgen gilt. Daher geht es bei der medizinischen Forschung zur Langlebigkeit viel weniger darum, ewiges Leben möglich zu machen, sondern viel mehr darum, die Zahl der gesunden Lebensjahre zu vermehren. „Wir haben eine Lebenserwartung von 84 Jahren bei Frauen und 80 Jahren bei Männern erreicht, aber die letzten zehn Jahre des Lebens sind viele chronisch krank“, sagt Madreiter-Sokolowski. Und hier gelte es anzusetzen.

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Altern, das passiert in unseren Zellen. Gesunde Zellen teilen sich, dabei wird auch das Erbgut auf zwei Zellen aufgeteilt. Für jede Zelle gibt es ein Maximum an möglichen Teilungen, definiert ist das durch die Länge der sogenannten Telomere, die bei jeder Zellteilung ein bisschen kürzer werden. „Irgendwann sind die Telomere so kurz, dass die genetische Stabilität bei einer Teilung nicht mehr gegeben wäre“, erklärt die Expertin – an diesem Punkt gehen die Zellen in eine Art Ruhestand, die die Wissenschaft Seneszenz nennt. Diese „alten“ Zellen teilen sich nicht mehr, sie lagern sich im Körper ab, machen aber auch Schaden: Sie geben Entzündungsstoffe ab, die das umliegende Gewebe schädigen und so unter anderem den Nährboden für die Krebsentstehung bereiten. „Ab 60 werden diese seneszenten Zellen in unserem Körper mehr und fördern die Entstehung von Alterserkrankungen“, erklärt die Expertin.

Wie man den Alterungsprozess beeinflusst

Hier setzen nun medizinische Maßnahmen zur Beeinflussung des Alterungsprozesses an: Ein Ansatz ist die Telomer-Verlängerung. „Enzyme können diese Telomere stabilisieren und damit theoretisch die Lebensdauer von Zellen beeinflussen“, sagt Madreiter-Sokolowski. Daran werde intensiv geforscht, allerdings handle man sich damit schwere Nebenwirkungen ein: Durch solche Eingriffe steige das Krebsrisiko massiv an, daher seien solche Therapieansätze auch noch nicht anwendbar.

Corina Madreiter-Sokolowski ist assoziierte Professorin für „Molekulares Altern“ am Gottfried Schatz Forschungszentrum der Medizinischen Universität Graz.
Corina Madreiter-Sokolowski ist assoziierte Professorin für „Molekulares Altern“ am Gottfried Schatz Forschungszentrum der Medizinischen Universität Graz. © MedUni Graz

Ein anderer Ansatz, den viele Anti-Aging-Mittel verfolgen, ist, das Entstehen von seneszenten Zellen zu reduzieren, unsere Körperzellen also widerstandsfähiger und damit auch langlebiger zu machen. Dazu gehört, die Stressresistenz der Zellen zu erhöhen, sie vor Sauerstoffradikalen zu schützen oder auch die Autophagie zu fördern. Die Autophagie ist ein Selbstreinigungsprozess der Zelle, bei dem „Abfallstoffe“ innerhalb der Zelle abgebaut und verwertet werden. Wirkstoffe, wie das altbekannte Diabetes-Medikament Metformin oder Rapamycin, das modulierend ins Immunsystem eingreift, gelten hier als große Hoffnungsträger. „Diese Wirkstoffe können Stoffwechselprozesse anregen, die mit Langlebigkeit in Verbindung gebracht werden“, sagt Madreiter-Sokolowski. Geforscht werde intensiv und laut der Expertin könnte es in zehn bis 15 Jahren so weit sein, dass ein Anti-Aging-Wirkstoff am Markt ist.

Und bis dahin? Lassen sich die lebensverlängernden Prozesse auch durch Lebensstilmaßnahmen ankurbeln. Zum Beispiel durchs Fasten: „Eine maßvolle Kalorienrestriktion reduziert nicht nur das Körpergewicht, sondern hält auch den Blutdruck und den Blutzuckerspiegel in Balance“, sagt Madreiter-Sokolowski. Dafür sollte man etwa 15 Prozent weniger Kalorien pro Tag essen als man laut Gesamtumsatz benötigt. Ausdauersport wie Laufen führe dazu, dass das körpereigene Abwehrsystem gegen Sauerstoffradikale angekurbelt werde – und das mit Langzeitwirkung.

Nicht rauchen, kein Alkohol

Ebenso wichtig ist es, schädliches Verhalten wie Rauchen und übermäßigem Alkoholkonsum zu meiden und die medizinischen Möglichkeiten zu nutzen, Risikofaktoren frühzeitig zu erkennen. „Wir haben so viele Möglichkeiten, erhöhtes Cholesterin oder Bluthochdruck zu behandeln, das sollten wir nützen“, sagt Madreiter-Sokolowski. Denn, auch das haben Studien gezeigt, die eigene Langlebigkeit liegt nur zu 25 Prozent in unseren Genen – die restlichen 75 Prozent bestimmt unser Lebensstil. Allerdings: „Wir brauchen trotzdem auch Glück, um gut zu altern“, sagt Madreiter-Sokolowski. Ein genetisch determiniertes Krebsrisiko oder familiäres Alzheimer können alle Anstrengung für ein langes Leben in Gesundheit zunichtemachen. Auch hier sei die Wissenschaft gefordert, solche „genetischen Bösartigkeiten“ frühzeitig erkennbar zu machen und Behandlungsmöglichkeiten zu finden.

1000 Jahre alt, wie vom britischen Forscher Aubrey de Grey proklamiert, werden wir damit aber auch nicht: „Das Maximum unserer Lebensspanne ist, nach allem was wir heute wissen, mit 125 Jahren ausgeschöpft“, sagt Madreiter-Sokolowski, die am Gottfried-Schatz-Forschungszentrum der Medizinischen Universität Graz forscht. Sie selbst, sagt die Altersforscherin, möchte so alt werden, dass sie ihre Urenkel noch kennenlernen kann – „über 90 Jahre muss ich dafür schon werden“, lacht sie.