Adipositas ist eine folgenschwere Erkrankung. Allen voran für die Betroffenen selbst, denn sie müssen mit gesundheitlichen Einschränkungen sowie Vorurteilen, die gegenüber ihnen geäußert werden, zurechtkommen. Eines dieser Vorurteile lautet: Menschen, die unter Adipositas, also starkem Übergewicht leiden, sind selbst daran schuld. Sie müssten eben einfach konsequenter sein, wenn es darum geht, Gewicht abzunehmen.

Diesem Vorurteil widersprach Experte Florian Kiefer am Mittwoch vehement. „Diese Menschen sind nicht faul, durch komplexe biomechanische Prozesse kommt es bei Adipositas immer wieder zur Gewichtszunahme, ohne Selbstverschulden der Betroffenen“, sagte Sprecher der Adipositas Allianz (ÖAA) anlässlich der Präsentation einer neuen Analyse zu den Folgen von Adipositas in Österreich des Instituts für Höhere Studien (IHS). „Adipositas sollte unbedingt als eigenständige chronische Erkrankung anerkannt werden“, sagte Kiefer, der auch Präsident der Österreichischen Adipositas Gesellschaft ist.

Acht Prozent aller Todesfälle

In Österreich sind laut Statistik Austria knapp 35 Prozent der Menschen über 15 Jahre übergewichtig, das bedeutet, sie haben einen Body Mass Index von bzw. über 25. Rund 17 Prozent leiden an Adipositas und haben somit einen BMI von bzw. über 30. Und das hat Folgen: So sterben laut IHS jährlich 4.000 Menschen in Österreich aufgrund von Fettleibigkeit. Das sind acht Prozent der Todesfälle hierzulande. Zudem erhöht Adipositas unter anderem das Risiko für Typ-2-Diabetes, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Krebs, Arthrose und kann auch zu Unfruchtbarkeit führen. Und Fettleibigkeit verkürzt das Leben: Menschen, die mit 45 Jahren mit Hochrisiko-Adipositas leben, sterben im Schnitt knapp fünf Jahre früher und verlieren fast zehn gesunde Lebensjahre.

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Aktuelle Daten zeigen nun, dass Adipositas nicht nur für Betroffene sondern zusehends auch für das österreichische Gesundheitssystem zum Problem wird. Die IHS-Erhebung, die sich auf die im Jahr 2019 erhobene Situation bezieht, ergab Gesamtkosten durch Adipositas von 2,4 Milliarden Euro in Österreich. Davon entfallen 1,9 Milliarden Euro auf Gesundheitsausgaben sowie 480 Millionen Euro auf indirekte Kosten durch Ausfälle auf dem Arbeitsmarkt. Fettleibigkeit verursacht demnach 537.000 Krankenhaustage, 1,2 Millionen Krankenstandstage und trägt zu 5,6 Prozent der Invaliditätspension bei. „Angesichts der Zahlen sehen wir dringenden Handlungsbedarf. Die Adipositas-Epidemie sollte nicht als Nebensächlichkeit abgetan werden, sie ist ein zentrales Problem für die öffentliche Gesundheit und unsere Wirtschaft“, sagte Thomas Czypionka (IHS).

Der Gesundheitsökonom wie auch Mediziner Kiefer fordern von der Politik dringend notwendige Präventionsmaßnahmen umzusetzen, um die Anzahl von Neuerkrankungen zu reduzieren und Folgeerkrankungen zu begegnen. Zudem brauche es einen niederschwelligen und sozial gerechten Zugang zu leitliniengerechten Therapien für Menschen mit Adipositas. „Bisher existieren in unserem Gesundheitssystem jedoch nur sehr wenige strukturierte Maßnahmen, um diesen Entwicklungen gegenzusteuern“, resümierte Kiefer.