„Wir müssen wegkommen von der Einstellung, ‚gegen die Demenz kann ich ohnehin nichts machen‘. Ich habe einen Teil meines Risikos selbst in der Hand“, unterstreicht Christian Enzinger, Neurologe und Vorstand der LKH-Uniklinik für Neurologie in Graz. Denn auch wenn ein Teil des Demenzrisikos genetisch bedingt ist: Das Risiko verteilt sich auf das Zusammenspiel verschiedener Gene und kann durch den Lebensstil beeinflusst werden.

Schlechtes Hören, zu wenig Bewegung, Übergewicht oder hoher Blutdruck: Die Wissenschaft hat inzwischen 14 Faktoren benannt, die das eigene Demenzrisiko beeinflussen (siehe Infobox). In der Summe aller beeinflussbaren Risikofaktoren kommen die Forscher zum Schluss, dass sich das Demenzrisiko in der Bevölkerung um 45 Prozent senken ließe, würde man all diese Faktoren meiden.

Überhaupt lässt sich beim Blick auf die Demenz-Risikofaktoren erkennen: Was gut ist fürs Herz, ist auch gut fürs Hirn. Oder, wie es Stefan Teipel vom deutschen Zentrum für neurodegenerative Erkrankungen ausdrückt: „Zwei Drittel der Risikofaktoren für Demenz sind auch Risiken für das Herz-Kreislauf-System.“

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Alzheimer: Diese Jahre sind entscheidend

Eine zentrale Zeitspanne für die Demenz-Vorsorge ist die mittlere Lebensphase, also das Alter von 45 bis 60 Jahren: „In diesen Jahren entscheidet sich, ob es zu den krankhaften Alzheimer-Ablagerungen im Gehirn kommt – oder eben nicht“, erklärt der Experte. Doch auch das, was vor 45 passiert, ist nicht egal: In jungen Jahren geht es vor allem um den Aufbau der sogenannten kognitiven Reserve: Es ist die erstaunliche Fähigkeit des Gehirns, schon vorhandene Schädigungen auszugleichen und trotzdem „fit“ zu bleiben. Erreicht wird dieser kognitive Puffer durch eine gute Ausbildung und lebenslanges Lernen – also durch Dinge, die unser Denkorgan fordern. Denn: Je mehr Verbindungen ich durch Lernen aufbaue, desto länger können demenzielle Veränderungen ausgeglichen werden.

Aber auch im höheren Alter, also nach 65, gibt es Risikofaktoren, die es zu vermeiden gilt: Einer davon ist die Einsamkeit, das Fehlen von Kontakten zu anderen Menschen. Auch hier brauche es gesellschaftspolitische Maßnahmen, um der Vereinsamung im Alter entgegenzuwirken.

Manuela Macedonia, Gehirnforscherin und Autorin
Manuela Macedonia, Gehirnforscherin und Autorin © Kneidinger Photography

Für die Gehirnforscherin und Bestsellerautorin Manuela Macedonia ist einer der zentralen Schlüssel für die Gesundheit unseres Gehirns: Bewegung. Sie erklärt dazu: „Eine der Ursachen von Alzheimer ist die Ablagerung von Eiweiß auf der Gehirnoberfläche. Dies ist auch darauf zurückzuführen, dass das Reinigungssystem des Gehirns – das glymphatische System – träge wird und die Oberfläche des Gehirns nicht mehr ‚sauber‘ hält. Bewegung sorgt dafür, dass diese Reinigung in die Gänge kommt, es reduzieren sich sogar die berüchtigten Plaques im Gehirn, wenn die Krankheit bereits ausgebrochen ist.“

Wie viel Bewegung es braucht, damit dieser Reinigungsprozess in die Gänge kommt? „Eine Faustregel, die für alle gilt, ist, mindestens eine Stunde pro Tag zu gehen, zügigen Schrittes. Wenn man meint, man hat keine Zeit dafür, wird uns das Gehirn eines Tages die verzinste Rechnung präsentieren“, sagt Macedonia. Was dem Gehirn außerdem hilft, gesund zu bleiben, sind laut der Hirnforscherin: ausreichend Schlaf, gesunde Ernährung, soziale Beziehungen und Spiritualität. Diese Punkte sollen dabei helfen, das Stresshormon Cortisol, das unserem Gedächtnis schadet, effektiv zu senken. So führe Muskelarbeit dazu, dass das Stresshormon im Körper abgebaut werde.

Auch gesunde Ernährung schützt vor Alzheimer

Der Alterspsychiater Peter Hlade (Vorstand der Abteilung für Psychiatrie und Psychotherapie im Krankenhaus der Elisabethinen, Standort Eggenberg) zählt folgende Punkte auf, die vor Demenz schützen können:

  • Höhere Bildung schützt vor Demenz – je mehr Verbindungen und Hirnsubstanz ich durch Lernen aufbaue, desto länger können demenzielle Veränderungen ausgeglichen werden.
  • Schwerhörigkeit ist einer der größten Risikofaktoren für Demenz, da das Gehirn durchs schlechte Hören weniger Input bekommt und sich Betroffene sozial zurückziehen. Daher sollte eine Schwerhörigkeit frühzeitig behandelt werden.
  • Eine gesunde Ernährung im Stil der Mittelmeerdiät, mit viel Gemüse, Obst, Hülsenfrüchten, Fisch, Nüssen und gesunden Ölen wie Oliven- und Rapsöl, kann das Demenzrisiko um mehr als 50 Prozent senken.
  • Bewegung sollte in den Alltag integriert werden: Stiegen steigen statt Lift fahren, zu Fuß den Einkauf erledigen. Tanzen wirkt auch sehr gut, wenn das noch möglich ist.
  • Es ist so wichtig für Betroffene, ins soziale Leben eingebunden zu sein! Sei das im Gesangsverein oder beim Spielen mit den Enkeln.

Eine Hoffnung macht Hlade leider zunichte: „Kreuzworträtsel bringen leider nicht so viel, wie oft angenommen wird, da dabei nur altes Wissen abgerufen wird.“ Bei jeder Form von Gehirntraining sei es aber wichtig, dass es auch Spaß macht und den Betroffenen nicht nur seine Defizite vor Augen führt. Was sich aber auch im höheren Alter auszahlt: mit dem Rauchen aufhören.