Adipositas ist eine chronische Erkrankung. Das bedeutet, Adipositas in den Griff zu bekommen, ist eine langwierige Sache. Schnelle Lösungen gibt es in diesem Zusammenhang nicht. Das sei auch eines der größten Missverständnisse, wenn Patientinnen und Patienten in ihre Ordination kommen und Unterstützung beim Abnehmen suchen, sagt Bianca Itariu. Die Internistin mit Ordination in Wien ist Vizepräsidentin der Österreichischen Adipositas-Gesellschaft. „Manche Leute begleitet das ihr ganzes Leben. Das wird nach sechs Monaten nicht gelöst sein, auch nicht nach einem Jahr“, erzählt Itariu im Podcast „Ist das gesund?“ aus der Praxis. „Adipositas ist, wie ein Typ-2-Diabetes auch, eine chronische Erkrankung.“
Bei Adipositas kommt es zu einer übermäßigen Vermehrung des Fettgewebes im Körper. In Abgrenzung zu Übergewicht spricht man ab einem Body-Mass-Index (BMI) von 30 von Adipositas. „Ich sage jetzt etwas provokant: Adipositas ist, wenn man zu viel Fett hat, das die Gesundheit schädigt und/oder dieses Fett, das wir alle brauchen, nicht funktioniert wie es sollte.“ Die Diagnose ist aber umfangreicher, als nur zu beurteilen, ob jemand dick ist oder nicht. Denn 25 Prozent aller Menschen mit einem BMI über 30, „die quasi als Adipositaspatienten abgestempelt werden, haben einen gesunden Stoffwechsel, haben keine anderen Komplikationen“, erklärt die Expertin.
„Nehmen Sie halt ab“ als einzige Therapieempfehlung
Trotz allem haben Menschen mit Übergewicht mit massiven Vorurteilen zu kämpfen, auch wenn sie zum Arzt, zur Ärztin gehen, um sich Unterstützung zu holen. Häufig werden zu späte oder falsche Diagnosen aufgrund des Zuviels an Gewicht gestellt. Noch öfter wird im Arztbrief vermerkt: Gewichtsreduktion dringend empfohlen. Wie genau die Betroffenen dies aber bewerkstelligen sollen, wird aber nicht dazu gesagt. Bekommt man zum Beispiel die Diagnose Diabetes gibt es klare Therapieempfehlungen, bei Adipositas gehen diese über „Bewegen Sie sich mehr“ selten hinaus.
Dies hat sich zuletzt durch die umgangssprachlich als Abnehmspritzen bezeichneten Medikamente verändert. Nun haben Adipositas-Betroffene eine medikamentöse Therapiemöglichkeit. Die Wirkstoffe Liraglutid, Semaglutid sowie Tirzepatid sorgen dafür, dass das Sättigungsgefühl länger anhält, so wird weniger Nahrung aufgenommen. Ab einem BMI von 30 bzw. von 27, wenn Begleiterkrankungen wie Diabetes vorliegen, können diese verschrieben werden. Wie alle Medikamente haben aber auch diese Nebenwirkungen, Übelkeit wird als eine der häufigsten beschrieben, ebenso ein metallischer Geschmack im Mund.
Abnehmspritzen alleine reichen nicht
Aber: Die Gewichtsreduktion alleine durch Abnehmspritzen ist nicht nachhaltig. Zum einen, weil nach einer bestimmten Zeit ein Plateau erreicht wird, nach welchem das Gewicht nicht mehr drastisch zurückgeht. Zum anderen, da man wieder Gewicht zunimmt, so man Ozempic und Co. absetzt.
Aus diesem Grund ist es wichtig, auch andere Maßnahmen zu setzen. Die erste ist, sich professionelle Hilfe zu holen. Wie gesagt, Adipositas ist eine chronische, komplexe Erkrankung: „Es ist wichtig, sich professionelle Hilfe zu holen und keine Do-it-yourself-Lösungen anzuwenden, es gibt vor allem im Internet viel Humbug“, sagt Itariu. Eine erste Anlaufstelle kann die Hausärztin, der Hausarzt sein, dies kann, wenn es notwendig ist, zum Beispiel an eine Stoffwechselambulanz überweisen.
Möchte man Kilos nachhaltig verlieren, kommt man um die oft zitierte Lebensstiländerung nicht herum. Das bedeutet, eine gesunde, ausgewogene Ernährung mit so wenig wie möglich hochverarbeitete Lebensmitteln. Itariu rät, sich so gesund wie möglich zu ernähren, aber keiner strengen Diät zu folgen, denn eine solche könne man auf Dauer nicht durchhalten. Auch Bewegung spielt eine wichtige Rolle, jeder Schritt mehr zählt. „Wenn ich nur Semaglutid verabreiche, ohne Lebensstilwandel, ist eine Gewichtsreduktion von zehn Prozent möglich“, sagt Itariu. „Wenn ich aber zusätzlich noch auf eine gesunde, kalorienreduzierte Ernährung und ausreichend Bewegung achte, dann sind zwanzig Prozent möglich.“ Auf eines weist Itariu ihre Patientinnen und Patienten immer hin: Gut zu sich selbst zu sein, sich nicht ständig selbst zu verurteilen.