Die Keuchhusten-Fälle (Pertussis) sind in diesem Jahr in Österreich regelrecht explodiert. Der Hauptgrund: fehlende Impfungen. Im gesamten Vorjahr gab es mit der für Säuglinge lebensbedrohlichen Infektion 2.791 Ansteckungen, nun wurden allein bis 20. August 9.972 Fälle gemeldet, ergab eine APA-Anfrage bei der AGES. Die Ärztekammer Wien erinnerte am Mittwoch an die Impfauffrischung, am besten jetzt zum Schuleintritt für Erstklässler und für Erwachsene alle zehn Jahre, ab 60 alle fünf Jahre.

In Wien wurden von Jahresbeginn bis 20. August laut Epidemiologischem Meldesystem (EMS) 964 Keuchhustenfälle bestätigt, teilte die Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (AGES) mit. Damit wurden im laufenden Jahr 2024 bereits jetzt rund 15-mal so viele Fälle wie im gesamten Jahr 2023 registriert. Spitzenreiter ist aber nicht Wien als bevölkerungsreichstes Bundesland, sondern Tirol mit 2.460 Keuchhusten-Erkrankungen seit Jahresbeginn. Dahinter folgen Oberösterreich mit 1.933, die Steiermark mit 1.585, Niederösterreich mit 1.280 und Salzburg mit 1.069 Fällen. Weniger Ansteckungen als in Wien gibt es heuer bisher in Vorarlberg (316), dem Burgenland (201) und Kärnten (164).

Erschreckender Anstieg von Neuinfektionen mit Keuchhusten

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"Die großen Impflücken sind für den erschreckenden Anstieg an Keuchhustenfällen in Wien und ganz Österreich verantwortlich und müssen rasch geschlossen werden. Denn Keuchhusten ist eine ernst zu nehmende Erkrankung, die für Säuglinge lebensbedrohlich sein kann", warnte Johannes Steinhart, Präsident der Österreichischen und der Wiener Ärztekammer. "Wir fordern daher zum wiederholten Mal, die notwendige Auffrischung der Vierfach-Impfung gegen Tetanus, Diphtherie, Kinderlähmung und Keuchhusten endlich kostenlos anzubieten." Säuglinge erhalten die dreiteilige Grundimmunisierung gegen Pertussis im Rahmen einer Sechsfach-Impfung kostenlos. Die Auffrischungen sollten jedoch ebenfalls nicht vergessen werden.

Keuchhusten: Für die Kleinsten lebensgefährlich

"Keuchhusten sorgt für enormes Leid und ist für unsere Kleinsten extrem gefährlich", betonte Naghme Kamaleyan-Schmied, erste Vizepräsidentin der Ärztekammer Wien. Das zeigte vor allem jener Fall eines wenige Wochen alten Babys, das in diesem Jahr in der Steiermark an Keuchhusten verstorben ist - wir haben hier darüber berichtet. Das Risiko für einen schweren bzw. lebensbedrohlichen Verlauf ist vor allem bei Neugeborenen und Säuglingen hoch, denn sie können durch eine Impfung noch nicht selbst geschützt werden. Die Grundimmunisierung im Rahmen der Sechsfachimpfung ist erst nach drei Teilimpfungen rund um den ersten Geburtstag abgeschlossen. 

Die Erkrankung bringt aber auch für Erwachsene krampfartige Hustenanfälle mit sich, die bis zum Erbrechen führen und lange anhalten können, und wird deshalb im Volksmund auch 100-Tage-Husten genannt. "In meiner Ordination in Floridsdorf habe ich seit Jahresbeginn bereits sieben bestätigte Fälle registriert, in den vergangenen 14 Jahren keinen einzigen. Auch Kolleginnen und Kollegen zeichnen ein ähnliches Bild", berichtete die Hausärztin.

Während 2015 österreichweit noch 579 Ansteckungen mit Pertussis gemeldet wurden, stiegen die Zahlen bereits vor der Covid-19-Pandemie auf 2.233 Infektionen im Jahr 2019 an. Mit den Corona-Maßnahmen gab es 2020 bis 2022 nur einen vorübergehenden Einbruch auf 632, 129 und 164 Fälle in den drei Jahren, zeigen die Daten von AGES und Gesundheitsministerium. Mit einem Blick in den Impfpass und einem Gespräch bei Hausärztin oder Hausarzt kann der eigene Impfschutz geprüft und aktuell gehalten werden, so die Empfehlung.

Auffrischung vor erster Klasse empfohlen

Mehr als acht Prozent der Zwei- bis Vierjährigen hatten im Jahr 2023 noch keine einzige Impfung gegen Keuchhusten erhalten. Sie sind also auch komplett ungeimpft gegen Diphtherie, Wundstarrkrampf (Tetanus), Kinderlähmung (Polio), Haemophilus influenzae B sowie Hepatitis B, die im Sechsfach-Impfstoff gegen Pertussis ebenfalls enthalten sind, geht aus Zahlen des Gesundheitsministeriums hervor. Weitere zehn Prozent dieser Altersgruppe erhielten zwar die erste Teilimpfung, jedoch noch nicht alle folgenden Impfungen, die für die dreiteilige Grundimmunisierung benötigt werden.

Bei den Sechs- bis Neunjährigen lag die Durchimpfungsrate 2023 mit drei Dosen bei 86 Prozent. Die zwischen dem sechsten und achten Geburtstag - bzw. am besten zum Schuleintritt - empfohlene Auffrischung als vierte Impfung erfolgte bei 56 Prozent. Gleichzeitig waren noch immer sechs Prozent der Kinder in dieser Altersgruppe (etwa 22.000 Kinder) komplett ungeimpft. Mehr als 14 Prozent in dieser Altersgruppe (52.000 Kinder) haben noch nicht die ersten drei Teilimpfungen erhalten. Laut Gesundheitsministerium ist ausreichend Sechsfach-Impfstoff für das kostenlose Kinderimpfprogramm lagernd.