Das siebenjährige Mädchen war bei einer Familienangehörigen zu Besuch, als es in der vergangenen Woche in Leutschach zu dem schrecklichen Unfall kam: Ein Rottweiler-Rüde biss das Mädchen so heftig in den Oberkörper, dass es schwerste Verletzungen an Schulterblatt, Rippen, Lunge und Milz erlitt. Der Besitzer des Hundes war der Lebensgefährte der Angehörigen. Bei den rund 800 Kindern, die in Österreich jedes Jahr von Hunden gebissen werden, ist es in zwei von drei Fällen der „bekannte“ Hund, der zubeißt. Das zeigt eine Untersuchung des Grazer Vereins „Große schützen Kleine“.

In der Studie „Verletzungen durch Hundebisse bei Kindern bis zum 14. Lebensjahr“ untersuchten Holger Till, Präsident des Vereins „Große schützen Kleine“ und Vorstand der Grazer Univ.-Klinik für Kinder- und Jugendchirurgie, und Peter Spitzer vom Forschungszentrum für Kinderunfälle des Vereins die Unfallhergänge von 296 Kindern, die zwischen 2014 und 2018 an der Grazer Klinik für Kinder- und Jugendchirurgie behandelt wurden.

„Aufholbedarf an Wissen bei Hundehaltern“

Besonders auffällig: In nur 23 Prozent der Fälle beißt der eigene Hund. Fast jeder zweite Biss wird durch einen „bekannten“ Hund, also zumeist durch den Hund von Großeltern, Onkeln und Tanten oder Nachbarn, verursacht. Bei einem Viertel der Vorfälle ist ein dem Kind gänzlich fremder Hund beteiligt. Die Kinder, die vom Hund der Großeltern oder vom Hund von Tante/Onkel gebissen wurden, waren durchschnittlich die Jüngsten. „Das bedeutet, dass im erweiterten familiären Umfeld des Kindes großer Aufholbedarf an Wissen über die Thematik Hund/Kind gegeben ist. Der Anteil der schweren Verletzungen liegt weit über dem Durchschnitt, wenn Hundehalter die Großeltern und Onkel/Tante sind. Die Familie muss also besonders sorgfältig aufeinander aufpassen“, sagt Till.

Am häufigsten ist der Kopf betroffen

Till: „Laut unserer Studie ist bei jedem zweiten Hundebiss bei Kindern der Kopf betroffen, in 27 Prozent der Fälle die Arme/Hände, in 20 Prozent der Fälle die Beine/Füße und in 8 Prozent der Fälle der Rumpf/das Becken. Je jünger das Kind, desto höher das Risiko für eine schwere Bissverletzung und eine Verletzung des Kopf-/Halsbereichs.“ Jedes zehnte Kind wird infolge eines Hundebisses stationär aufgenommen. Die Wunden müssen meist operativ versorgt werden. „Im Durchschnitt sind die Kinder beim Hundebiss sechseinhalb Jahre alt. Genauso viele Mädchen wie Buben sind in Unfälle mit dem Hund verwickelt. Zumeist wurden die Kinder beim Spielen mit dem Hund gebissen, gefolgt vom Vorbeilaufen/-krabbeln und Streicheln“, ergänzt Spitzer. 15 Prozent der in der Studie befragten Eltern gaben außerdem an, dass ihr Kind mit den körperlichen Folgen des Bisses (größtenteils Narben) zu kämpfen hatte. Etwa jedes zweite Kind leidet bzw. litt nach dem Unfall an Angst vor Hunden.

Hunde wirken auf Kinder oft „süß“, gefördert durch die Verniedlichung der (oftmals sprechenden) Vierbeiner in Kinderfilmen und -büchern. „Ganz wichtig ist es daher, dass Eltern ihren Kindern bewusstmachen, dass Hunde Lebewesen mit Bedürfnissen und Instinkten sind. Werden diese vom Menschen missachtet, beißt selbst der ‚friedlichste Familienhund‘ in manchen Situationen zu. Vor allem, wenn man ihn zu sehr bedrängt oder es um sein Futter geht“, gibt Spitzer zu bedenken.