Die Social-Media-Plattform TikTok, wo Benutzerinnen und Benutzer Kurzvideos posten können, ist als wahrer „Trendsetter“ bekannt. Oft gehen nicht nur Lieder oder Tänze viral, auch sportlich gibt es immer wieder neue Favoriten, die die Masse begeistern. Weit über eine halbe Million Beiträge lassen sich unter dem Hashtag #pilates auf der Social-Media-Plattform finden, 1,4 Millionen unter #walking. In den Kurzvideos preisen viele – oft junge Frauen – sogenannte „Low Impact Workouts“ an: Sportliche Aktivitäten mit geringer Anstrengung, die angeblich sowohl die Gelenke als auch den Hormonhaushalt schonen sollen.

Als extremes Gegenbeispiel dazu steht das „HIIT“, das „High Intensity Interval“-Training. Anstatt gemütlicher Spaziergänge an der frischen Luft, setzt man den Körper hierbei einem enormen Stress aus. Wie der Name sagt, geht es darum, innerhalb eines kurzen Zeitintervalls den Körper maximal auszupowern, beispielsweise durch Sprints. Zwischen den Intervallen liegen Ruhephasen, die zwei bis dreimal so lange dauern sollen wie die Belastungsphase. Auf TikTok sprechen sich manche sogar ganz gegen diese Trainingsart aus, da sie die Stresshormone zu sehr in die Höhe treiben soll. „Man bringt das Gehirn quasi in Lebensgefahr“, erklärt auch Sportmedizinerin Jana Windhaber, „für das Gehirn ist das die gleiche Situation wie damals, als man noch vor den Säbelzahntigern gestanden ist.“ Verteufeln dürfe man die Sportart jedoch nicht: „Es kommt darauf an, was mein Ziel ist“, meint Windhaber. Während für Wettkampfsport diese Art von Training durchaus Sinn ergibt, kann sie für bloßen Gesundheitssport möglicherweise sogar mehr Schaden anrichten.

Jana Windhaber ist Generalsekretärin der Österreichischen Gesellschaft für Sportmedizin und Prävention
Jana Windhaber ist Generalsekretärin der Österreichischen Gesellschaft für Sportmedizin und Prävention © Oliver Wolf

Keine Pauschallösung

Grundsätzlich unterscheidet die Medizin zwischen Krafttraining, wobei Pilates eine Form des funktionellen Krafttrainings ist und Ausdauertraining, wie dem Spazierengehen oder dem HIIT. Jede Trainingsform verfolgt ein anderes Ziel. Während Pilates die Koordination der kleinen Hilfsmuskulatur verbessert, die unter anderem für eine stabile Haltung verantwortlich ist, stärkt Gehen das Herz-Kreislauf-System und den Stoffwechsel, jedoch auf eine andere Weise als das High-Intensity-Intervalltraining. Auch der Kalorienverbrauch pro Zeiteinheit ist unterschiedlich: Das hochintensive Training verbrennt innerhalb eines kürzeren Trainingszeitraums mehr Kalorien als das Gehen. Jedoch müssen Sportler auf die Regenerationszeit zwischen den Trainingseinheiten achten. So könne man dabei zwar mit einem Zeitaufwand von 15 Minuten weitaus mehr Kalorien verbrennen, als bei einem viertelstündigen Spaziergang, durch die hohe Intensität rät die Sportmedizinerin jedoch von täglichem HIIT ab. „Auf die Woche gerechnet verbrennt das regelmäßige Spazieren mehr Energie, da es aufgrund der leichten Anstrengung jeden Tag möglich ist und die gemütlichen Trainingseinheiten auch länger durchgehalten werden können.“ Dennoch ist Gehen keine Abkürzung zu niedrigerem Körpergewicht, wie es auf TikTok manchmal dargestellt wird: Es komme darauf an, am Ende des Tages mehr Kalorien verbraucht, als zu sich genommen zu haben, erklärt die Ärztin. „Um den täglichen Kalorienverbrauch zu erhöhen, ist Gehen jedoch sehr gut geeignet“, sagt Windhaber.

Wann spricht man denn nun von einem Training mit geringerer Intensität? Hier gilt nach wie vor die alte Faustregel: „Wenn man sich beim Trainieren noch unterhalten, aber nicht mehr singen kann“, meint auch die Sportmedizinerin. Welche Art von Sport für wen besser geeignet ist, lässt sich nicht pauschal sagen. „Es kommt darauf an, ob ich ein junger, gesunder Mensch bin, oder älter bin und Vorerkrankungen habe“, erklärt Jana Windhaber. Bei Vorerkrankungen soll auf jeden Fall zuvor mit einem Arzt Rücksprache gehalten werden, betont die Sportmedizinerin. Grundsätzlich sei aber keine der Sportarten „schlechter“ als die andere, wie es auf TikTok oftmals heißt.