Die Pille ist in Verruf geraten: Nicht nur auf sozialen Medien teilen Frauen ihre negativen Erfahrungen mit der hormonellen Verhütung. Auch eine große Studie, die im Jahr 2018 in Dänemark durchgeführt wurde, zeigte eine Korrelation zwischen der Einnahme von hormonellen Verhütungsmitteln und Depressionen. „Durch diese große Studie in Dänemark ist der Zusammenhang öffentlich breit diskutiert worden“, weiß Bettina Böttcher, Oberärztin an der Klinik für gynäkologische Endokrinologie und Reproduktionsmedizin der MedUni Innsbruck. Eine Folge war, dass seit dem Jahr 2019 depressive Verstimmungen und Depressionen als mögliche Nebenwirkungen im Beipackzettel der Pille gelistet werden müssen.

Pille und Depressionen

Allerdings: Die dänische Studie wurde von medizinischen Fachgesellschaften auch kritisiert: Schließlich beruhte sie allein auf Registerdaten, die Medikamentenverschreibungen und Krankheitsdiagnosen erfassten – eine echte Kausalität, also ein ursächlicher Zusammenhang zwischen Pille und Depression lasse sich daraus nicht ableiten, so die Kritik. Laut der dänischen Untersuchung waren vor allem sehr junge Frauen, zwischen 15 und 19 Jahren, besonders vom Zusammenspiel hormonelle Verhütung und Depression betroffen – allerdings: „Die Pubertät ist eine besonders vulnerable Zeit, in der es viele psychische Belastungen geben kann“, sagt Böttcher.  

Bettina Böttcher, MedUni Innsbruck
Bettina Böttcher, MedUni Innsbruck © tirol kliniken/Gerhard Berger
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„Hormonangst“ breitet sich aus

Nichtsdestotrotz müsse die Medizin diesen Zusammenhang sehr ernst nehmen – und daher wird in Innsbruck nun eine Studie durchgeführt, die mittels Fragebogen erheben soll, wie sich die Pille auf die Psyche und mögliche depressive Verstimmungen auswirken kann. „In unserer Studie wollen wir Frauen, die schon lange die Pille nehmen, mit jenen vergleichen, die neu damit starten“, erklärt Böttcher. Für die Untersuchung, die über Online-Fragebögen durchgeführt wird, werden noch Teilnehmerinnen gesucht (siehe Infobox). Momentan werde außerdem daran geforscht, wie sich die Pilleneinnahme auf das Gehirn auswirke – mittels MRT-Untersuchungen des Gehirns werde dieser Frage nachgegangen.

Als Folge der dänischen Untersuchung und der Warnung vor den möglichen Folgen der Pille auf die psychische Gesundheit hat sich eine „Hormonangst“ unter Frauen ausgebreitet: „Ja, wir beobachten eine Anti-Pillen-Tendenz“, bestätigt Böttcher. Das Kondom sei daher zum Verhütungsmittel Nummer eins aufgestiegen. „Wir sehen natürlich die Gefahr, dass es dadurch zu einem Anstieg der Teenager-Schwangerschaften kommen könnte“, sagt Böttcher. Die Abkehr von hormonellen Verhütungsmitteln führe aber auch dazu, dass wirksame Therapien nicht stattfinden: „Die Pille kann zum Beispiel bei Endometriose als Medikament eingesetzt werden“, zeigt Böttcher auf. Was jedenfalls nicht mehr passieren sollte: die Pille als Lifestyle-Medikament zu verschreiben, für bessere Haut oder schönere Haare. „Aus diesen Gründen verschreiben wir die Pille nicht mehr“, sagt Böttcher.

Kupferspirale auch für junge Frauen geeignet

Die Entscheidung darüber, welche Verhütungsmethode zu einem passt, müsse immer individuell für die Frau getroffen werden: Wo stehe ich im Leben? Wie sieht mein Sexualleben aus? Wie sicher muss die Verhütung sein? Und natürlich müssen Frauen auch über weitere mögliche Nebenwirkungen der Pille aufgeklärt werden: Bekannterweise steigt das Thromboserisiko an. „Für andere oft berichtete Nebenwirkungen wie den Verlust der Libido haben wir aber keine klare wissenschaftliche Datenlage“, sagt Böttcher. Eine nicht-hormonelle Verhütungsmethode, die mittlerweile auch jungen Frauen angeboten werden kann, ist die Kupferspirale: „Die Komplikationsrate ist bei jungen Frauen nicht größer, haben Studien gezeigt“, sagt Böttcher. Allerdings: Durch die Kupferspirale könnten sich sowohl die Regelblutung als auch Regelschmerzen verstärken.