Das Prostatakrebs-Screening steht vor einem Umbruch. Im Jänner dieses Jahres hat eine Studienanalyse mit maßgeblicher Beteiligung von Wiener Experten nachgewiesen, dass die Tastuntersuchung „digital rektal“ die Aussagekraft zusätzlich zu einem PSA-Bluttest nicht erhöht – wir haben hier darüber berichtet. Jetzt zeigt eine weitere Studie unter Wiener Federführung, dass MR-Untersuchungen unnötige Biopsien zum größten Teil verhindern.
In Österreich erhalten pro Jahr rund 5000 Männer eine Prostatakrebsdiagnose. Die Zahl der jährlichen Todesopfer liegt bei etwa 1200. Die Österreichische Krebshilfe empfiehlt allen Männern, ab dem Alter von 45 Jahren regelmäßig eine Prostata-Früherkennungsuntersuchung beim Urologen durchführen zu lassen. Herkömmlicherweise besteht sie aus einer Tastuntersuchung der Prostata (digital rektale Untersuchung), einer Blutabnahme zur PSA-Bestimmung (prostataspezifisches Antigen; Anm.) und einer Ultraschalluntersuchung der Niere sowie des Unterbauches zur Beurteilung der Prostatagröße und der Blasen-Entleerungsfähigkeit. Im Verdachtsfall erfolgt dann eine ultraschallgestützte Biopsie.
Häufig „unnötige“ Biopsien
Das Problem: Es kommt relativ häufig zu unnötigen Biopsien. Die Unterscheidung, ob es sich bei einer allfällig festgestellten bösartigen Veränderung in der Prostata im Frühstadium um eine gefährliche Karzinomerkrankung handelt oder nicht, ist schwierig. Trotzdem wird die Früherkennung natürlich empfohlen, um im Fall des Falles möglichst schonend und erfolgreich behandeln zu können. Eine Erhöhung des PSA-Werts ist auf jeden Fall ein Alarmsignal. In den vergangenen Jahren wurde die nicht invasive Magnetresonanzuntersuchung (MR; MRI) immer häufiger in diesem Anwendungsgebiet erforscht und auch angewendet. So erfolgt bei einem ersten Verdacht auf ein Prostatakarzinom immer öfter eine MR-Untersuchung vor einer Biopsie, diese wird auch immer häufiger MR-gestützt vorgenommen.
Ein internationales Wissenschaftlerteam mit dem Erstautor Tamas Fazekas von der Universitätsklinik für Urologie der MedUni Wien/AKH hat jetzt in JAMA Oncology, einer Veröffentlichung der amerikanischen Ärztegesellschaft, eine Analyse der wissenschaftlichen Studien zum Wert der Magnetresonanzuntersuchung beim Prostatakrebs-Screening publiziert. Darin wurden die Daten von 80.114 Männern aus zwölf Studien ausgewertet. Verglichen wurde die Genauigkeit der herkömmlichen Screening-Untersuchungen mit PSA-Test auf erhöhte Werte und dann eine Biopsie mit einem Vorgehen via anfänglicher MR-Untersuchung.
Screening mit MR
Die Ergebnisse der Analyse der vorhandenen wissenschaftlichen Literatur sprechen für ein Screening auf Prostatakrebs mit Magnetresonanzuntersuchungen. Schied man MR-Befunde mit sehr unwahrscheinlichem oder unwahrscheinlichem Vorliegen eines klinisch signifikanten Karzinoms aus (Pi-RADS-Einteilung), zeigte sich mit MR-Bildgebung eine um mehr als das Vierfache (Faktor 4,15) erhöhte Trefferquote, was das wirkliche Vorliegen eines Karzinoms bei einem positiven Befund betraf. Gleichzeitig reduzierte sich damit die Häufigkeit einer vorgenommenen Biopsie um 72 Prozent, nicht wirklich bedeutsame Prostatakarzinome wurden um zwei Drittel weniger häufig diagnostiziert. Bei Karzinomen, die eine reale Gefahr für die Betroffenen darstellten, war die Strategie via Magnetresonanzuntersuchung genauso exakt wie die herkömmliche mit PSA-Test und dann Vornahme einer Biopsie.
Tamas Fazekas und seine Co-Autoren mit dem Chef der Universitätsklinik für Urologie der MedUni Wien/AKH, Shahrokh Shariat, als einem der ebenfalls federführenden Beteiligten: „Die Resultate (...) deuten darauf hin, dass ein Integrieren von MRI-Untersuchungen im Vergleich zu Screening mit PSA-Tests in die Früherkennung mit einer geringeren Zahl von unnötigen Biopsien und Überdiagnosen von nicht signifikanten Prostatakarzinomen bei gleich bleibenden Erkennungsraten führt.“