In Europa und damit auch in Österreich sind Masern wieder auf dem Vormarsch. Das geht insbesondere mit einer zuletzt gestiegenen Impfskepsis einher. Besonders problematisch sind fragwürdige Aussagen und Angaben zur Erkrankung. Aktuell machen zwei Fälle mit unterschiedlichen impfskeptischen Behauptungen die Runde, die zahlreiche Menschen verunsichern.

In sozialen Medien verunsichern Posting wie diese Menschen. Doch dabei handelt es sich um falsche Behauptungen
In sozialen Medien verunsichern Posting wie diese Menschen. Doch dabei handelt es sich um falsche Behauptungen © Screenshot/Facebook

Die Überprüfung im Detail

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Das deutsche Robert-Koch-Institut (RKI) bezeichnet die Masern als „eine der ansteckendsten Krankheiten des Menschen überhaupt“. Masern-Viren „werden durch das Einatmen infektiöser Tröpfchen (Sprechen, Husten, Niesen) oder aerogen über Tröpfchen sowie durch Kontakt mit infektiösen Sekreten aus Nase oder Rachen übertragen.“ Das Masern-Virus führt demnach bereits „bei kurzer Exposition zu einer Infektion und löst bei fast allen ungeschützten Infizierten eine klinische Symptomatik aus.“

Wirksamster Schutz dagegen ist laut RKI eine Impfung. Laut einer systematischen Übersichtsarbeit des unabhängigen Wissenschaftsnetzwerks Cochrane sämtlicher bis 2021 weltweit durchgeführten Studien zur Wirksamkeit und Sicherheit der Masern-Mumps-Röteln-Impfung verhindert diese bei 95 von 100 Personen, die ohne Impfung krank geworden wären, die Erkrankung.

Falsches Verhältnis zwischen Impfung und Todesfällen

Manche auf Facebook verbreitete Postings können auf den ersten Blick fachlich fundiert wirken (siehe Screenshots), halten einer Überprüfung aber nicht stand. Die erste durch Fakten widerlegbare Behauptung aus dem Facebook-Posting stellt die an Masern verstorbenen Kinder jenen gegenüber, die angeblich an den Folgen der Injektion versterben sollen. Das Verhältnis soll bei etwa 1:3 liegen.

Laut dem Masern-Ratgeber des Robert Koch Instituts (RKI) sterben in Deutschland von 2007 bis 2015 durchschnittlich drei bis sieben Kinder pro Jahr an Masern bzw. den direkten Folgen einer Masernerkrankung. Im Zeitraum 2001 bis 2012 gab es insgesamt neun Todesfälle in zeitlichem Zusammenhang mit der MMR-Impfung, bei denen die Todesursache nicht abschließend geklärt werden konnte. Bei keinem dieser Todesfälle konnte laut deutschem Bundesgesundheitsblatt 2013 ein kausaler Zusammenhang mit der Impfung nachgewiesen werden. Die Aussage, wonach in vier Jahren durchschnittlich ein Kind an Masern stirbt und drei Kinder an der Impfung, entbehrt deshalb jeder Grundlage. Für Österreich fehlt eine solche Statistik. Unklar ist, ob es in Österreich bisher Todesfälle gab, die auf die Masern-Impfung zurückzuführen sind.

Impfung schützt vor Erkrankung

Die zweite problematische Aussage im Facebook-Posting bezieht sich auf den Nutzen einer Dreifach-Impfung, weiters sollen rund die Hälfte der geimpften Kinder trotzdem an Masern erkranken. Auch diese Behauptungen sind in mehrerlei Hinsicht irreführend. Ein Organismus muss sich im Zusammenleben mit anderen Menschen ununterbrochen mit verschiedensten Krankheitserregern auseinandersetzen (auch mehr als sechs gleichzeitig). Das ist gerade in den ersten Lebensjahren essenziell für die Entwicklung eines funktionierenden Immunsystems. Zudem ist die Wirksamkeit der MMR-Impfung hervorzuheben: Von 1.000 nicht geimpften Kindern mit Kontakt zum Masern-Virus erkranken laut Harding-Zentrum für Risikokompetenz etwa 931 an Masern, von 1.000 geimpften Kindern etwa 14.

Risiko auf Folgeschäden nach Erkrankung viel höher

Am Ende des Postings wird vor den teils schweren Nebenwirkungen der Masern-Impfung gewarnt. Bei den genannten Nebenwirkungen, wie Guillain-Barre-Syndrom oder Enzephalitis handelt es sich allerdings um nur vereinzelt gemeldete, extrem seltene Ereignisse. Enzephalitis trat etwa bei einem von 10 Millionen mit dem Impfstoff Priorix Geimpften auf. In Österreich wird der Impfstoff M-MRvaxPro verabreicht. Dabei trat eine Enzephalitis bisher nur bei schwer immunkomprimierten Personen auf, die den Impfstoff irrtümlich erhalten haben.

Was im Posting beim Vergleich der Risiken von Impfung und Erkrankung vollkommen außer Acht gelassen wird, sind die möglichen Komplikationen und Folgeschäden von Masern-Erkrankungen. Das Risiko einer Enzephalitis nach einer Maserninfektion ist deutlich höher und liegt laut dem evidenzbasierten deutschen Gesundheitsportal gesundheitsinformation.de bei etwa einem von 1.000 Erkrankten einige Tage nach der Ansteckung. Das Immunsystem ist nach einer Maserninfektion aber oft noch für Monate oder jahrelang geschwächt. Subakute sklerosierende Panenzephalitis (SSPE), eine sehr seltene, schwere Gehirnentzündung, tritt demnach erst einige Jahre nach einer Maserninfektion auf. Sie betrifft einen bis fünf von 10.000 Masernerkrankten und endet immer tödlich.

Weiteres Posting spricht Impfung jeden Nutzen ab

In sozialen Medien verunsichern Posting wie diese Menschen. Doch dabei handelt es sich um falsche Behauptungen
In sozialen Medien verunsichern Posting wie diese Menschen. Doch dabei handelt es sich um falsche Behauptungen © Screenshot/Twitter

Ein auf der Plattform X/Twitter veröffentlichtes Posting (siehe Screenshot) mit angehängtem Video behauptet unterdessen, Masern seien alleine durch Hygieneverbesserungen nahezu ausgerottet worden. Auf den ersten Blick haben Hygienemaßnahmen auch tatsächlich Auswirkungen auf die Masern-Fallzahlen.

Diese waren etwa in den Pandemie-Jahren 2020 bis 2022 mit vereinzelten Fällen deutlich niedriger als davor. 2023 schnellten sie allerdings wieder in die Höhe. Im Vorjahr verzeichnete Österreich laut Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (AGES) 186 gemeldete Masern-Fälle. Allein in den ersten zehn Wochen des Jahres 2024 (Stand 12.3.2024) wurden laut AGES bereits 268 Fälle registriert. Das ist weit entfernt von einer Ausrottung.

Masern sind daher deshalb allein durch Hygienemaßnahmen nicht einzudämmen. Die Behauptung aus dem Posting bei X, die Impfung sei eine allenfalls schädliche Maßnahme und habe keine positiven Effekte, wird durch die eingangs erwähnten Zahlen des RKI zur Immunisierung klar widerlegt. Das Posting ist begleitet von einem Ausschnitt aus der französischen arte-Dokumentation „Impfen - Die ganze Geschichte“ aus dem Jahr 2022, die auch bei Youtube abrufbar ist (Ausschnitt ab 27:30 Minuten). Der deutsch-französische TV-Sender reagierte auf eine Anfrage von APA-Faktencheck zur Dokumentation bisher nicht.