ME/CFS ist ein Kürzel, das für eine Erkrankung steht, deren Tragweite man sich als nicht davon betroffene Person kaum vorstellen kann. In ihrer stärksten Ausprägung hindert ME/CFS Erkrankte an der Teilhabe am sozialen Leben. Sie können keinen Beruf ausüben, sind nicht in der Lage, Hobbys nachzugehen. Stattdessen sind diese Personen ans Bett gebunden. Dinge, wie Zähneputzen, können sie nicht alleine bewerkstelligen. So wie Christoph Ströck, über den wir hier berichtet haben.

Da die Diagnose schwierig ist und sich oft über Jahre zieht, sind genaue Zahlen zu Betroffenen in Österreich vage. Aktuelle Studien zufolge leiden in Österreich zwischen 26.000 und 80.000 an chronischer Fatigue. 60 Prozent davon können keinem Beruf nachgehen, 25 Prozent sind an ihr Bett gebunden. Und aufgrund von Covid-19 könnte sich die Zahl der ME/CFS-Betroffenen in den nächsten Jahren noch verdoppeln, heißt es in einer Aussendung der MedUni Wien.

Doch die Mechanismen hinter der Entstehung von ME/CFS sind nicht abschließend geklärt. Auch Biomarker, also messbare Parameter, um die Erkrankung rasch und eindeutig diagnostizieren zu können, fehlen. Das liegt daran, dass die multisystemische Erkrankung bei Patientinnen und Patienten unterschiedlich stark ausgeprägt ist und die Betroffenen auch unter unterschiedlichen Symptome leiden.

ME/CFS: Biomarkern auf der Spur

Im Rahmen einer aktuellen Studie hat das Team rund um Eva Untersmayr-Elsenhuber vom Zentrum für Pathophysiologie, Infektiologie und Immunologie der MedUni Wien nun mögliche Biomarker identifiziert. Demnach kann man ME/CFS-Betroffene anhand der Funktion ihres Immunsystems zwei Untergruppen unterteilen. „Betroffene, die an Immundefizienzen leiden, sind durch ihre veränderte Immunfunktion charakterisiert. Bei ME/CFS-Patientinnen und -Patienten mit intaktem Immunsystem war die Darm-Barriere-Funktion herabgesetzt“, erklärt Untersmayr-Elsenhuber. Die Unterschiede der Untergruppen lassen sich auch via messbarer Marker im Blut nachweisen. Diese erlauben zum einen Rückschlüsse auf Krankheitsmechanismen, zum anderen entstehen so neue Ansatzpunkte für die Behandlung.

In der Conclusio der Studie, die im „Journal of Clinical Medicine“ erschienen ist, weist das Team daraufhin, dass die Ergebnisse ihrer Studie in einer größeren Untersuchung weiter überprüft werden sollten.

Bekannt ist, dass ME/CFS im Zuge einer Post-Covid-Erkrankung nach einer Sars-CoV-2-Infektion auftreten kann. Und das auch, wenn die Infektion „mild“ oder asymptomatisch verläuft. Ein Schutz vor Infektion reduziert also auch das Risiko für ME/CFS. Aber auch andere Erreger werden mit ME/CFS in Verbindung gebracht, etwa das Epstein-Barr-Virus oder auch Influenza-Viren. Um die Erkrankung weiterzuerforschen, wird mit Unterstützung der WE&ME-Foundation die erste „ME/CFS-Biobank Austria“ mit biologischen Proben von Betroffenen aufgebaut.

Versorgungslage in Österreich gehört verbessert

Und auch ein „Referenzzentrum für postvirale Erkrankungen“ ist in Österreich geplant - wir haben hier darüber berichtet. Ein solches ist aber keine Ambulanz, bei welcher Betroffene Unterstützung und zielgerichtete Behandlung erfahren. Viel mehr ist es eine Anlaufstelle, Personen und Institutionen, die sich mit einem Thema, in diesem Fall eben postvirale Erkrankungen, beschäftigen.

Anlaufstellen für Betroffene hingegen sind Mangelware, etwa eine spezialisierte ME/CFS-Ambulanz gibt es in Österreich nicht. Und auch im niedergelassenen Bereich gibt es kaum Fachleute für diese Erkrankung. „Ich glaube, ich spreche da vielen aus dem Herzen, wenn ich sage, die Versorgungslage ist gar nicht gut“, sagt Untersmayr-Elsenhuber im Gespräch mit der Kleinen Zeitung. „Mit der Pandemie, mit Long Covid, mit den postinfektiösen Erkrankungen hat sich diese Versorgungslage nicht verbessert, sondern eher verschlechtert.“