Die Diagnose. Die Diagnose Krebs beim eigenen Kind ist eines der schlimmsten Szenarien, das sich Eltern vorstellen können. „Wir sind bei jedem Kind emotional mitbetroffen – das beginnt bei der Diagnose und endet, hoffentlich, wenn die Kinder geheilt entlassen werden.“ So beschreibt Martin Benesch, Leiter der Abteilung für pädiatrische Hämato-Onkologie am LKH-Uniklinikum Graz, die emotionalen Herausforderungen der Arbeit mit krebskranken Kindern. So dramatisch die Situation ist, in den vielen Gesprächen mit betroffenen Familien geht es für Benesch immer darum, die Wahrheit zu sagen: „Ja, wir verwenden das Wort Krebs und wir erklären auch unseren Patienten selbst, welche Erkrankung sie haben.“ Nur so sei ein gemeinsamer Weg möglich.

Die Prognose. „80 Prozent unserer Patienten werden zu Langzeitüberlebenden“, sagt Benesch – eine Zahl, die sich in den letzten Jahrzehnten dramatisch verändert hat. Erst mit der Einführung der Chemotherapie in den 1940er-Jahren war es überhaupt möglich, Krebserkrankungen bei Kindern zu behandeln. Dass man heute bei 80 Prozent Heilungsraten steht, sei ein großer Erfolg, aber: „Seit den 2000er-Jahren haben wir auch ein Plateau erreicht – und bei manchen Krebsformen hat sich leider auch noch sehr wenig getan“, sagt Benesch. Bei Weichteil- oder Knochensarkomen zum Beispiel sei die Heilung, wenn sich bereits Metastasen gebildet haben, noch schwierig.

Die Forschung. In der Erwachsenen-Krebsmedizin scheinen sich Forschungserfolge zu überschlagen: zielgerichtete Therapien, die Signalwege des Tumors ausschalten; Wirkstoffe, die das eigene Immunsystem zur Waffe gegen den Krebs machen – wird all das auch bei krebskranken Kindern eingesetzt? „Es gibt Überlappungen, aber diese Schnittmenge ist klein“, sagt Benesch, denn: Krebserkrankungen bei Kindern sind völlig anders als jene bei Erwachsenen. Trotzdem gibt es bei Leukämien im Kindesalter schon erfolgversprechende, gezielte Krebs- und Immuntherapien. Die Krebsformen bei Kindern teilen sich wie folgt auf: Etwa 50 Prozent sind Blutkrebsarten wie Leukämien oder Lymphknotenkrebs, die anderen 50 Prozent sind Tumore, die an verschiedensten Orten im Körper auftreten: in Knochen, im Gehirn, im Auge, in der Niere. Weil Krebs bei Kindern so selten ist, ist die Forschung auf internationale Zusammenarbeit angewiesen.

Kinderonkologe Martin Benesch und Kinderkrebshilfe-Obmann Mario Walcher
Kinderonkologe Martin Benesch und Kinderkrebshilfe-Obmann Mario Walcher © Klz / Ripix

Die Krebshilfe. „Unsere Vision ist, alle Kinder mit Krebs zu heilen“, sagt Mario Walcher, Obmann der steirischen Kinderkrebshilfe. Dafür setzt sich die Kinderkrebshilfe, die sehr eng mit der Kinderonkologie verbunden ist, mit einer ihrer drei Säulen ein: Die „Steirische Kinderkrebsforschung“ wurde von der Kinderkrebshilfe gegründet, um Forschung in der Steiermark zu fördern. Aber nicht nur das: Eine weitere Säule ist die finanzielle Soforthilfe für betroffene Familien, denn: „Wenn ein Kind plötzlich an Krebs erkrankt, kann zumindest ein Elternteil oft nicht mehr arbeiten gehen.“ Mit der dritten Säule soll erkrankten Kindern vor allem eines ermöglicht werden: Alltag. So wird eine Krankenschwester finanziert, die erkrankte Kinder zuhause betreut und ihnen so Ambulanzbesuche im Krankenhaus erspart. Und: Krebskranken Kindern wird es auch ermöglicht, am Schulunterricht teilzunehmen – über einen Avatar, der in der Klasse sitzt, während das Kind im Krankenhaus über ein Tablet zusieht und -hört. „Ein solcher Avatar war schon mit auf Wandertag“, erzählt Walcher.

Die Warnsignale. Benesch unterstreicht: „Das Seltene ist in der Medizin selten – und Krebs bei Kindern ist selten.“ Soll heißen: Meist stecken hinter möglichen Symptomen harmlose, häufige Ursachen. Aber es gibt Warnsignale, die man ernst nehmen sollte: Blässe, Müdigkeit, gemeinsam mit häufigen Blutungen bzw. blauen Flecken und Lymphknotenschwellung kann auf eine Leukämie hindeuten. Plötzlich auftretende Kopfschmerzen, die nicht auf Schmerzmittel ansprechen oder morgendliches Erbrechen können Warnsignale eines Hirntumors sein. Auch Schwellungen am Körper, die sich nicht erklären lassen, sollten einem Kinderfacharzt gezeigt werden.

Die Spätfolgen. In der Therapie der jungen Patientinnen und Patienten müssen Ärzte einen Balanceakt meistern: Den Krebs bekämpfen, aber gleichzeitig auch so wenige Folgeschäden wie möglich verursachen. Auch hier hat sich viel getan: „Die Bestrahlung des Schädels und der Lymphknoten machen wir nur noch in Ausnahmefällen.“ Generell sei es so, dass etwa ein Drittel der Patienten im späteren Leben mit Folgeschäden zu kämpfen habe, besonders betroffen seien jene mit einem Gehirntumor. Zweittumore durch Bestrahlungen, hormonelle Veränderungen, Wachstumsstörungen, Schilddrüsenprobleme sind mögliche Spätfolgen einer Krebserkrankung im Kindesalter. „Geheilt bedeutet leider nicht immer gesund“, sagt Benesch – daher werden die ehemals kleinen Patienten an der Kinderonkologie auch in der sogenannten Erwachsenensprechstunde weiter betreut.