Heimlich mischt die Frau in dem TikTok-Video Melatonin-Gummibärchen in ein Sackerl mit Süßigkeiten und reicht sie ihrem Kind. Nächste Sequenz: Das Kind liegt in seinem Bett und schläft tief und fest. Videos wie diese gibt es in den sozialen Medien zuhauf. Mit Titeln wie „Wie du dein Kind in unter fünf Minuten zum Schlafen bringst“ bewerben Eltern Nahrungsergänzungsmittel mit Melatonin als Wundermittel für Kinder, die einfach nicht einschlafen wollen. Kinderärzte warnten davor.

Tatsächlich spielt Melatonin beim Einschlafen eine wesentliche Rolle. Das natürliche Hormon wird in der Zirbeldrüse im menschlichen Gehirn produziert und wird aktiviert, wenn es dunkel wird. „Vitamin D kennen alle, das ist das Hormon des Tages“, erklärt Kinderarzt Ekkehart Paditz, der Mitglied der Deutschen Gesellschaft für Schlafmedizin und Schlafforschung (DGSM) ist. „Melatonin ist der Gegenspieler, das ist das Hormon der Nacht.“

Melatonin in Tees, Tropfen und Gummibärchen

Im Internet und in Drogerien finden sich zahlreiche frei verkäufliche Nahrungsergänzungsmittel mit Melatonin, die meisten für Erwachsene. Sie versprechen schnelles Einschlafen und das Ende von Schlafstörungen. Es gibt sie in Form von Tabletten, Sprays, Tees, Tropfen und Gummibärchen. Kinderarzt Paditz rät davon ab, den eigenen Kindern ohne Absprache mit einem Arzt eines dieser Produkte zu geben. Bisher wisse man noch zu wenig über die Abbauwege von Melatonin bei Säuglingen und kleinen Kindern, sagt der Arzt. Sicher sei, dass der Melatonin-Stoffwechsel bei ihnen langsamer laufe. Außerdem gebe es bei den in Studien geprüften Nahrungsergänzungsmitteln erhebliche Konzentrationsschwankungen.

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In den USA gab es Paditz zufolge in den vergangenen Jahren mehrere Todesfälle von Kleinkindern, die im zeitlichen Zusammenhang mit stark erhöhten Melatonin-Werten standen. In einer US-Studie berichten Forscher unter anderem von einem Fall, in dem Eltern ihrem drei Monate alten Kind regelmäßig zwischen acht und zehn Dosen eines hoch dosierten Melatonin-Produkts pro Tag gaben. Ob eine Überdosis des Hormons zum Tod des Kindes führte, konnte nicht endgültig geklärt werden.

Was bei Schlafstörungen zu tun ist

Wenn Kinder unter ernstzunehmenden Schlafstörungen litten, sollten Eltern sich nicht auf frei käufliche Mittelchen verlassen, meint Paditz. „Eltern gehen damit ein ziemliches Risiko ein, dass möglicherweise schwerwiegende Krankheiten übersehen werden.“ Auch ein Hirntumor etwa könne Schlafstörungen verursachen. Der Kinderarzt rät daher: „Kinder gehören zum Kinderarzt.“

Für betroffene Kinder und Jugendliche kann Melatonin per Rezept verschrieben werden. Bei einem Arztbesuch könne die Ursache der Schlafstörung herausgefunden werden. „Wir sehen immer wieder, dass Kinder und Jugendliche Einschlafprobleme haben, weil sie eine exzessive Handynutzung haben oder Filme vor dem Einschlafen schauen“, sagt Maske. „Meistens erledigen sich die Probleme, wenn die Eltern sich an die Tipps für die Einführung einer Schlafhygiene halten.“

Die Schlafroutine

Dazu gehört laut Paditz, Routinen zu entwickeln und vor dem Schlafen zur Ruhe zu kommen. Schließlich spielten auch Stress, Sorgen und Ängste eine Rolle beim Einschlafen. Eltern könnten Kindern am Bett beruhigend über den Kopf streicheln, ihnen ein Buch vorlesen oder ein Schlaflied singen.